Rz. 15

Fragen nach Erkrankungen sind nach Art. 9 DSGVO grundsätzlich untersagt, denn sie bedeuten einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und Datenschutzrechte des Bewerbers. Sie sind daher nur ausnahmsweise zulässig, wenn der Betroffene einwilligt oder die Abfrage erforderlich ist für die Beurteilung, ob der Betroffene in der Lage ist, seinen Pflichten am vorgesehenen Arbeitsplatz nachzukommen, also die zu leistende Tätigkeit erbringen kann, vgl. Art 9 Abs. 2 Nr. 2 DSGVO, § 26 Abs. 3 BDSG. Der Arbeitgeber kann daher fragen,

ob eine Erkrankung bzw. Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes vorliegt, durch die die Eignung für die vorgesehene Tätigkeit auf Dauer oder in periodisch wiederkehrenden Abständen eingeschränkt ist,
ob zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme bzw. in absehbarer Zeit mit einer längeren Arbeitsunfähigkeit zu rechnen ist, die auf Krankheit, Operation oder Kur beruht,
ob eine ansteckende Krankheit vorliegt, die zwar die Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigt, jedoch Arbeitskollegen bzw. Dritte gefährdet (BAG v. 7.6.1984, AP Nr. 26 zu § 123 BGB = DB 1984, 2706).

Beim Impfstatus (einschl. einer Covid-19-Impfung) gibt es keine generelle Auskunftspflicht des ArbN; der Arbeitgeber darf daher nicht danach fragen. Anderes gilt aufgrund infektionsschutzrechtlicher Vorschriften, z.T. aber nur für bestimmte Bereiche und z.T. nur hinsichtlich der Covid-19-Impfung, beispielsweise in der Pflege, vgl. Fitting/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, 31. Aufl. 2022, BetrVG, § 94 Rn 25a.

 

Rz. 16

Bestimmte, unter dem Gesichtspunkt einer Erkrankung thematisierte Erscheinungen können dem Behindertenbegriff des § 1 AGG unterfallen. Dies gilt vor allem unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH v. 11.7.2006 (= EuZW 2007, 13–17). Der Begriff der Behinderung erfasst danach eine Einschränkung, die insb. auf physische, geistige und psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist und die ein Hindernis für die Teilhabe des betreffenden am Berufsleben bildet (EuGH v. 11.4.2013 – C 335/11; C – 337/11). Auf die Begriffsbestimmungen des SGB IX käme es danach nicht mehr an. Wäre nach dieser Definition von einer Behinderung auszugehen, wäre die Zulässigkeit der Fragestellung problematisch.

 

Rz. 17

Ob die Frage nach Aids zulässig ist, wird unterschiedlich beantwortet. Eine gefestigte Rspr. hierzu besteht nicht. Richtigerweise sollte zwischen einer Aids-Erkrankung und einer HIV-Infektion differenziert werden. Die Frage nach dem Vorliegen einer Aids-Erkrankung muss vor dem Hintergrund der Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers grds. als zulässig angesehen werden (vgl. Richardi, NZA 1988, 73 ff.; Zeller, BB 1987, 1522, 1523). Z.T. wird vertreten, dass ein Bewerber, bei dem sich die Aids-Erkrankung noch im Anfangsstadium befindet und bei dem nach ärztlicher Voraussage noch für einen längeren Zeitraum mit einer vollständigen Arbeitsfähigkeit gerechnet werden kann, das Vorliegen der Aids-Erkrankung verschweigen darf (vgl. Heilmann, BB 1989, 1413, 1415; Bruns, MDR 1988, 95, 96).

 

Rz. 18

Anders ist die Frage zu beurteilen, wenn die Erkrankung noch nicht ausgebrochen ist und lediglich eine HIV-Infizierung vorliegt. Hier ist nicht vorhersehbar, zu welchem Zeitpunkt und ob die Krankheit überhaupt zum Ausbruch kommt, sodass nicht auf jeden Fall vom Ausfall der Arbeitskraft ausgegangen werden kann. Deshalb wird vertreten, dass die Frage nach einer HIV-Infizierung grds. unzulässig ist. Eine Ausnahme wird lediglich für den Fall zu machen sein, in dem wegen der Besonderheit des Arbeitsplatzes bereits durch die HIV-Infizierung die Eignung für diese Tätigkeit berührt wird. Dies ist der Fall, wenn eine Ansteckungsgefahr für Arbeitskollegen oder Dritte, etwa durch Blutübertragungen wie bei sämtlichen Heilberufen, nicht ausgeschlossen werden kann (BAG v. 16.2.1989 – 2 AZR 347/88, DB 1989, 2382; Bruns, MDR 1988, 95, 96; Lichtenberg/Schücking, NZA 1990, 41, 44).

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