Rz. 18
Von besonderer Bedeutung ist allerdings der Informationsaustausch innerhalb von Franchise-Systemen. Hier wird es notwendig sein, dass entsprechende Regelungen in das jeweilige Franchise-Vertragsmuster eingefügt werden.
In der neuen Vertikal-GVO (Erwägungsgrund 13) wird festgehalten, dass ein Informationsaustausch insbesondere bei einem dualen Vertrieb horizontale Bedenken aufwerfen kann. Die EU-Kommission geht davon aus, dass dieser Informationsaustausch wegen seines direkten Bezugs zur vertikalen Vereinbarung (z.B. Franchise-Vertrag) nur dann als Wettbewerbsbeschränkung durch die Vertikal-GVO freigestellt ist, wenn diese der Verbesserung der Herstellung oder des Vertriebs der Vertragswaren oder -dienstleistungen dient bzw. erforderlich ist.
Ergänzend dazu sind für Franchise-Systeme die Grundsätze in Ziff. 96 der Leitlinien zur Vertikal-GVO zu beachten. Danach dürfen allgemein Franchise-Geber und Franchise-Nehmer nur solche Informationen austauschen, die sich auf eine einheitliche Anwendung des Franchise-Systems beziehen.
Rz. 19
Es kommt demgemäß auf die "Erforderlichkeit" des Informationsaustausches zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer oder von Franchise-Nehmern untereinander an.
Wie diese Erforderlichkeit zu bestimmen ist, ergibt sich aber nicht aus der Vertikal-GVO – allerdings aber aus Ziff. 94 der Leitlinien zur Vertikal-GVO. Danach hatte eine 2-stufige Prüfung zu erfolgen:
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Stufe 1: Austausch der Informationen zwischen Franchise-Geber /Franchise-Nehmer oder Franchise-Nehmern untereinander muss der Durchführung des Franchise-Vertrages dienen |
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Stufe 2: die Informationen müssen erforderlich sein. |
Anhaltspunkte für diese "Erforderlichkeitsprüfung" gibt die EuGH-Entscheidung vom 28.01.1986. Danach sieht der EuGH in solchen Regelungen eines Franchise-Vertrages keine kartellrechtswidrige Wettbewerbsbeschränkung, wenn diese "unerlässlich" sind, damit das vermittelte Know-how und die vom Franchise-Geber geleistete Unterstützung nicht Konkurrenten des Franchise-Systems zugutekommt.
Rz. 20
Somit ist auch davon auszugehen, dass der Austausch nachfolgender erforderlicher Informationen zwar eine Wettbewerbsbeschränkung i.S.d. Vertikal-GVO darstellt, diese aber durch die Vertikal-GVO von der Kartellrechtswidrigkeit freigestellt ist:
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technische Informationen über die Vertragswaren oder -dienstleistungen; |
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Informationen zur Produktion, Lagerbestand, Verkaufsmengen oder Rücksendungen innerhalb des Franchise-Systems; |
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Informationen über die Käufer der Vertragswaren oder -dienstleistungen sowie Kundenpräferenzen und -feedback; |
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Informationen über die Preise, zu denen die Vertragswaren oder -dienstleistungen vom Franchise-Geber an den Franchise-Nehmer verkauft werden; |
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unverbindliche Preisempfehlungen oder Höchstpreise, die der Franchise-Geber vorschlägt, solange dadurch der Franchise-Nehmer in seiner eigenen Preishoheit nicht beeinträchtigt wird; |
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Marketinginformationen, also Informationen über die Vermarktung der Vertragswaren oder -dienstleistungen, einschließlich Informationen über neue Waren oder Dienstleistungen, die im Rahmen des Franchise-Systems vertrieben werden (sollen), sowie Informationen über Werbekampagnen für die Vertragswaren oder -dienstleistungen; |
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leistungsbezogene Informationen, einschließlich Informationen, die der Franchise-Geber dem Franchise-Nehmer über die Marketing- und Verkaufsaktivitäten anderer Absatzmittler zur Verfügung stellt; |
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Informationen über das Volumen oder den Wert der Verkäufe des Franchise-Nehmers der Vertragswaren oder -dienstleistungen im Verhältnis zu den Verkäufen konkurrierender Waren oder Dienstleistungen; |
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Informationen zu den wirtschaftlichen Eckdaten eines Franchise-Nehmers, um z.B. Betriebsvergleiche erstellen zu können. |
Rz. 21
Als nicht erforderlich wird demgegenüber der Austausch folgender Informationen angesehen:
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Informationen über die tatsächlichen künftigen Preise des Franchise-Nehmers; ausgenommen der Austausch von Informationen im Rahmen zulässiger Werbe-/Marketingkonzepte oder bei im Zusammenhang mit Produkteinführungen; |
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kundenspezifische Verkaufsdaten, einschließlich Informationen über den Wert und das Volumen der Verkäufe pro Kunde oder Informationen zur Identifizierung bestimmter Kunden. |
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Informationen über Waren, die von einem Franchise-Nehmer unter seinem eigenen Markennamen verkauft werden – sog. Diversifikationsprodukte. |
Der letztgenannte Punkt ist aber mehr als problematisch, da der Verkauf von Diversifikationsprodukten in der Regel in die Berechnung der vom Franchise-Nehmer zu leistenden laufenden Franchise-Gebühren einfließt – diese Informationen also für den Franchise-Geber im Sinne der Terminologie der EuGH-Entscheidung vom 28.1.1986 unerlässlich sind.