Rz. 23
Von den Staaten der Europäischen Gemeinschaft bilden Frankreich, Spanien, Italien, Belgien, Schweden und neuerdings auch die Niederlande eine Ausnahme. In diesen Ländern wurden zumindest Gesetze zum Umfang der vorvertraglichen Aufklärungspflichten bzw. speziell zum Franchise-Recht erlassen, so in Frankreich das sog. Loi Doubain v. 31.12.1989 und das Spanische Franchise-Gesetz v. 15.1.1996.
Mit dem Gesetz Nr. 129 v. 6.5.2004 gibt es auch in Italien ein Franchise-Gesetz. Danach ist durch den Franchise-Vertrag dem Franchise-Nehmer das Know-how des Franchise-Systems zur Verfügung zu stellen, wobei die Know-how-Definition der der Vertikal-GVO entspricht. Nach Art. 3 dieses Gesetzes ist der Franchise-Geber zu einer umfassenden vorvertraglichen Aufklärung des Franchise-Nehmers verpflichtet, die sich nicht nur auf die Investitionen und die territorialen Rechte des Franchise-Nehmers beziehen muss, sondern auch auf das Know-how des Franchise-Systems, die Dienstleistungen und Vertragsprodukte, die vom Franchise-Nehmer erbracht bzw. abgesetzt werden sollen, und die Konditionen, unter denen der Franchise-Vertrag verlängert, aber auch beendet werden kann.
Das belgische Franchisegesetz ist seit dem 15.3.2005 in Kraft und entspricht im Wesentlichen auch im Hinblick auf die vorvertragliche Aufklärung dem italienischen Franchisegesetz.
Entsprechendes gilt für das seit dem 1.10.2006 geltende schwedische Franchisegesetz (Law on the Duty of a Franchisor to provide information).
Das Niederländische Franchise-Gesetz ist zum 1.1.2022 in Kraft getreten. Dieses normiert Anforderungen an die vorvertragliche Aufklärung eines Franchise-Nehmers aber auch an die inhaltliche Gestaltung eines Franchise-Vertrages.
Rz. 24
Gemeinsam ist allen erlassenen oder in der Diskussion befindlichen Franchise-Gesetzen, dass diese der Beseitigung der Informationsasymmetrie dienen sollen – also der Beseitigung der Informationsgefälle zwischen Franchise-Geber und -Nehmer.
Auch in Deutschland ist darüber diskutiert worden, ob es sinnvoll ist ein Franchise-Gesetz zu erlassen oder aber zumindest die vorvertragliche Aufklärung beim Abschluss von Franchise-Verträgen gesetzlich zu regeln. Hier besteht zum einen aufgrund der self-regulation des Deutschen Franchise-Verbandes und der "Richtlinie zur vorvertraglichen Aufklärung beim Abschluss von Franchise-Verträgen" keine Veranlassung; erst recht aber auch deswegen nicht, wenn man die differenzierte Rspr. zur vorvertraglichen Aufklärung in Deutschland mitberücksichtigt; wie etwa die Entscheidungen des OLG Hamm vom 22.12.2011 sowie des OLG Düsseldorf vom 25.10.2013 bzw. die vorangegangene Rspr. des OLG München.
Entsprechendes gilt für das Urt. d. LG Hamburg v. 17.1.2014 sowie das bestätigende Urt. d. OLG Hamburg v. 29.7.2014. Die zurzeit aktuellen Grundsätze zur vorvertraglichen Aufklärung werden in den Leitsätzen dieser Entscheidung des OLG Hamburg wie folgt zusammengefasst:
Zitat
(…) Ein Franchisegeber ist verpflichtet, in den von ihm vorgelegten Investment Proposals, welche Grundlage für die Entscheidung des Franchisenehmers sind, den Franchisevertrag abzuschließen, nur solche Angaben zu machen, die auf einer zutreffenden und nachvollziehbaren Tatsachengrundlage bzw. auf Erfahrungswerten beruhten. Andernfalls haftet er auf Ersatz des erlittenen Vertrauensschadens. (…)
In diesem Kreis der Entscheidungen passt sich auch das Urt. d. OLG Dresden v.18.6.2016 ein.
Wenn dadurch die Anforderungen an die vorvertragliche Aufklärung zu Lasten der Franchisegeber wieder gestiegen sind, bedeutet dies aber nicht, dass diese Existenzgründungsberater des Franchisenehmers sind. Dies ist bereits durch das OLG Schleswig festgestellt worden und wurde noch einmal durch das Urt. d. OLG Düsseldorf v. 25.10.2013 bestätigt.
Auch das OLG Frankfurt/Main betont mit Urteilen vom 8.12.2021, dass jeder Franchise-Nehmer mit Abschluss des Franchise-Vertrages ein unternehmerisches Risiko eingeht. Bei einer Überschätzung des ihm überlassenen Know-how kann dieser sich daher nicht im Wege einer Regressforderung an den Franchise-Geber halten.
Entsprechendes hat auch das OLG München mit Urteil vom 23.6.2021 festgestellt. Dabei ist nach zutreffender Ansicht des OLG München auch dann kein Schadensersatzanspruch des Franchise-Nehmers gegenüber dem Franchise-Geber gegeben, wenn der Franchise-Nehmer einen vom Franchise-Geber zwar empfohlenen aber von ihm beauftragten Sachverständigen mit der Erstellung eines Businessplans beauftragt und sich dieser als unzutreffend herausstellt. Hier haftet dann ggf. der Berater, nicht aber der Franchise-Geber.
Allerdings besteht keine Verpflichtung zur vorvertraglichen Aufklärung beim Abschluss von Reservierungsvereinbarungen und damit auch Vorverträgen, wie das Urt. d. OLG Frankfurt am Main v. 3.6.2016 zeigt.