Rz. 64
Die Rspr. zur vorvertraglichen Aufklärung bei Franchise-Verträgen mündet in die Frage, was unter den Grundsätzen der cic zu verstehen ist, die zunehmend von der Rspr. auf Franchise-Verträge angewandt werden, wenn es um die Beurteilung der vorvertraglichen Aufklärungspflichten des Franchise-Gebers geht.
Rz. 65
Diese gewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsätze waren beim Abschluss von Dauerschuldverhältnissen und damit auch von Franchise-Verträgen, um nicht einem Schadensersatzanspruch des anderen Vertragspartners ausgesetzt zu sein, bis zum 31.12.2001 zu beachten. Nunmehr sind die Grundsätze der cic in den Vorschriften der §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, Abs. 3 i.V.m. § 241 BGB geregelt. In § 311 Abs. 2 BGB werden die Voraussetzungen der cic festgelegt, wobei diese der bisherigen Rspr. entsprechen. Die vorvertragliche Aufklärung bei Franchise-Verträgen beurteilt sich daher bis zum 31.12.2001 und seit dem 1.1.2002 nach den gleichen Grundsätzen; der Unterschied liegt nur darin, dass bislang die Grundsätze von der Rspr. anerkannt waren und nunmehr gesetzlich geregelt sind. Schadensersatzansprüche wegen cic gem. § 311 Abs. 2 BGB kann allerdings nur derjenige geltend machen, der konkrete Vertragsverhandlungen führt. § 311 Abs. 3 BGB stellt insoweit klar, dass auch ein vertragsähnliches Verhältnis zu solchen Personen bestehen kann, die nicht Vertragspartei hätten werden sollen. Hierbei handelt es sich in erster Linie um die Eigenhaftung des Vertreters oder Verhandlungsgehilfen.
Rz. 66
Hier liegt eine Abweichung zum alten Schuldrecht vor: Für die Eigenhaftung des Vertreters war bis zum 31.12.2001 ein Eigeninteresse erforderlich, sodass i.d.R. nur eine deliktische Haftung des Vertreters gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB in Betracht kam. Seit dem 1.1.2002 reicht es nunmehr aus, wenn der Vertreter i.R.d. Vertragsverhandlungen Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Abschluss des Franchise-Vertrages erheblich beeinflusst. Für Vertragsverhandlungen und den Abschluss von Franchise-Verträgen bedeutet dies seit dem 1.1.2002, dass die in die Vertragsverhandlungen eingebundenen Vertreter des Franchise-Gebers viel eher als nach dem bis zum 31.12.2001 geltenden Recht auf Leistung von Schadensersatz nach den Grundsätzen der cic in Anspruch genommen werden können. Dies hat insb. für die Geschäftsführer einer GmbH oder deren Gesellschafter oder einen Unternehmensberater Konsequenzen. Allein das allgemeine Interesse des Geschäftsführers oder des Gesellschafters am Erfolg des Unternehmens begründete bis zum 31.12.2001 keine Eigenhaftung. Sind nunmehr die Geschäftsführer in die Vertragsverhandlungen eingebunden oder beteiligen sich etwa die Gesellschafter auch an diesen Vertragsverhandlungen und nehmen durch ihre Einbindung ein besonderes Maß an Vertrauen für sich in Anspruch – das die Vertragsverhandlungen und/oder den Abschluss des Franchise-Vertrages durch den Franchise-Nehmer beeinflusst – so kann eine Eigenhaftung gegeben sein.