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Beim Agentursystem, insb. dem sog. Kommissionsagenten, wird oft von Franchising gesprochen.[70] Auch die erste arbeitsrechtliche Entscheidung, die sich mit der Frage einer möglichen Arbeitnehmereigenschaft eines Franchise-Nehmers befasste, erging zu einem Agentursystem.[71] Agentursysteme sind sicherlich ähnlich aufgebaut wie Franchise-Systeme, jedoch ist der Agent nicht wie der Franchise-Nehmer im eigenen Namen und für eigene Rechnung tätig, sondern schließt oder vermittelt Verträge immer nur für seinen Geschäftsherrn und in dessen Namen; handelt also im fremden Namen und auf fremde Rechnung. Ein Agent und ein Franchise-Nehmer unterscheiden sich auch dadurch, dass der Agent z.B. kein Warenrisiko trägt.[72]

In der Praxis werden Franchise-Verträge in Kombination mit einem Kommissionsagentur-Vertrag abgeschlossen, d.h. dem Franchise-Nehmer wird das notwendige Franchise-Konzept und das für das Betreiben seines Franchise-Outlets unerlässliche bzw. bedeutsame und nützliche Know-how auf der Grundlage des abgeschlossenen Franchise-Vertrages überlassen, in dem zugleich die beiderseitigen Rechte und Pflichten und das Gebührensystem dargestellt wird. Der Bezug der Produkte vom Franchise-Geber bzw. den vom Franchise-Geber gelisteten Lieferanten erfolgt dann über einen gesondert abgeschlossenen Kommissionsagentur-Vertrag, wobei der Franchise- und Kommissionsagentur-Vertrag eine wirtschaftliche Einheit bilden. Dadurch dass der Franchise-Nehmer dann als Kommissionär des Franchise-Gebers dessen Produkte absetzt, besteht die Möglichkeit einer Preisbindung, da im Rahmen eines Kommissions-Vertrages der Kommissionär (= Franchise-Nehmer) an die Weisungen des Kommittenten (= Franchise-Geber) auch im Hinblick auf die Preisgestaltung gem. §§ 385, 386 HGB gebunden ist. Dieses Nebeneinander von Franchise- und Kommissions-Vertrag zur Durchsetzung einer Preisbindung bei Franchise-Systemen für den Absatz der Vertragsprodukte des Franchise-Systems wird auch von der Rspr. akzeptiert, wie das Grundsatzurteil des BGH vom 20.3.2003[73] zeigt.

Diese Qualifizierung eines Vertrages als Kommissionagenturvertrag ergibt sich auch noch einmal aus der Grundsatzentscheidung des BGH v. 21.7.2016.[74] Im ersten Leitsatz dieser Entscheidung heißt es:

Zitat

Ein Vertrag ist als Kommissionsagenturvertrag zu qualifizieren, wenn ein Unternehmer einen anderen gegen Zahlung einer Provision damit beauftragt, ständig von ihm gelieferte, jedoch dem Beauftragten übereignete Ware im eigenen Namen auf Rechnung des Unternehmers zu veräußern und eine Abtretung der Forderung aus der Veräußerung der Waren an den Unternehmer vereinbart ist.

Von Bedeutung ist die Entscheidung des BGH v. 21.7.2016 aber auch deswegen, weil diese sich mit der Frage befasst, ob einem Kommissionsagenten bei Beendigung des Kommissionsagenturvertrages ein Ausgleichsanspruch analog § 89b HGB zusteht. Dies wird vom BGH nur für den Fall bejaht, dass der Kommissionsagent in gleicher Weise wie ein Handelsvertreter die Absatzorganisation des Kommittenten eingebunden ist und der Kommissionsagent verpflichtet ist, dem Kommittenten bei Beendigung des Vertragsverhältnisses den Kundenstamm zu überlassen.

[70] S. dazu Gitter, Handbuch des Schuldrechts, S. 479.
[72] Zu dieser Abgrenzung v.a.: Gross/Skaupy, Franchising in der Praxis, S. 275 f.
[73] WRP 2003, 981 m. Anm. Flohr, ZAP Fach 6, S. 387 f.
[74] ZVertriebsR 2017, 99.

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