Rz. 67
Die Frage nach den Aufklärungspflichten des Franchise-Gebers ist aber nicht nur eine Frage nach deren Inhalt und den Grenzen, sondern auch eine solche danach, wann diese Aufklärungspflichten des Franchise-Gebers einsetzen.
Rz. 68
In den BFA-Guidelines wird davon ausgegangen, dass die Aufklärungspflichten schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen beginnen. Insofern heißt es nämlich in den Guidelines:
Zitat
The code recognizes that disclosure begins at the first point of contact which of course is when the franchisor starts to explain the franchisee opportunity.
Zutreffender kann man kaum den ersten Zeitpunkt beschreiben, in dem der Franchise-Geber vor der Frage steht, seinen Aufklärungspflichten nachzukommen. Diese Aufklärungspflichten setzen bereits ein, wenn der Franchise-Geber ggü. einem potenziellen Franchise-Nehmer im Einzelnen das Franchise-System darstellt, sei es nun, dass die Parteien aufgrund einer Zeitungsanzeige und dem dem Franchise-Nehmer übersandten Informationsmaterial in geschäftlichen Kontakt treten oder etwa ein Gespräch im Rahmen einer Franchise-Messe geführt wird.
Die vorvertragliche Aufklärung setzt aber spätestens ein, wenn Franchise-Geber und -Nehmer in konkrete Vertragsverhandlungen miteinander eintreten und damit für den Franchise-Geber die Bereitschaft des Franchise-Nehmers deutlich wird, den Schritt in die unternehmerische Selbstständigkeit zu wagen. Hier müssen dem Franchise-Nehmer umfassende Informationen zur Verfügung gestellt werden, damit dieser nicht nur die Rentabilitätsaussichten beurteilen, sondern u.a. auch einen Liquiditätsplan aufstellen und Finanzierungsverhandlungen mit den Banken führen sowie die Chancen der Gewinnrealisierung beurteilen kann. Dazu ist es auch notwendig, dass eine sog. Standortanalyse erstellt wird. Das OLG Köln geht davon aus, dass der Franchise-Geber hierzu verpflichtet ist, selbst wenn er diese Verpflichtung nach dem abgeschlossenen Franchise-Vertrag nicht übernommen hat. Jetzt scheint sich allerdings eine Änderung in der Rspr. der Obergerichte abzuzeichnen. Das OLG Brandenburg hat in seinem Urt. v. 28.9.2005 festgestellt, dass nach der vertragstypischen Interessenlage im Franchise-Vertrag es vielmehr ausschließlich Sache des Franchise-Nehmers sei, aus dem Datenmaterial des Franchise-Gebers Rückschlüsse auf die Erfolgsaussichten des geplanten Franchise-Geschäfts zu ziehen und zu diesem Zweck eine Wirtschaftlichkeitsprüfung und Standortanalyse durchzuführen oder von dritter Seite einzuholen. Damit schließt sich das OLG Brandenburg einem Urt. d. OLG Düsseldorf vom 30.6.2004 an. Ob sich diese Rspr. angesichts der asymmetrischen Informationspflichten beim Franchising durchsetzen wird, gilt es abzuwarten. Der Franchise-Nehmer seinerseits ist nämlich nicht in der Lage zu überprüfen, ob das vom Franchise-Geber vorgelegte Datenmaterial zutreffend ist bzw. die ihm vorgelegten Daten und Informationen zur Erstellung einer Standortanalyse auch mit seinem geplanten Franchise-Outlet vergleichbar sind und insofern eine zutreffende Standortanalyse ermöglichen. Allerdings ist auch nicht zu übersehen, dass nach der neueren Rspr. der Franchise-Geber nicht als Existenzgründungsberater des Franchise-Nehmers anzusehen ist. Daraus folgt zugleich auch, dass der Franchise-Geber im Verhältnis zum Franchise-Nehmer nicht die Funktion eines Unternehmensberaters hat. Somit ist nicht auszuschließen, dass die Rspr. jetzt, nachdem der Franchise-Nehmer-Schutz immer weiter ausgeweitet wurde, sich in die entgegengesetzte Richtung orientiert und wieder mehr das vom Franchise-Nehmer zu tragende Unternehmerrisiko betont, der in überzogenen Aufklärungs-/Beratungs- und Inhaltspflichten eine Lähmung der Expansions- und Innovationsfreudigkeit des Franchise-Gebers sieht.