Rz. 1
Nach dem Ehrenkodex des Deutschen Franchise-Verbands wird Franchising wie folgt definiert:
Zitat
Franchising ist ein Vertriebssystem, durch das Waren und/oder Dienstleistungen und/oder Technologien vermarktet werden. Es gründet sich auf eine enge und fortlaufende Zusammenarbeit rechtlich und finanziell selbstständiger und unabhängiger Unternehmen, dem Franchise-Geber und seinen Franchise-Nehmern. Der Franchise-Geber gewährt seinen Franchise-Nehmern das Recht und legt ihnen gleichzeitig die Verpflichtung auf, ein Geschäft entsprechend seinem Konzept zu betreiben. Dieses Recht berechtigt und verpflichtet den Franchise-Nehmer, gegen ein direktes oder indirektes Entgelt im Rahmen und für die Dauer eines schriftlichen, zu diesem Zweck zwischen den Parteien abgeschlossenen Franchise-Vertrages per laufender technischer und betriebswirtschaftlicher Unterstützung durch den Franchise-Geber den Systemnamen und/oder das Warenzeichen und/oder die Dienstleistungsmarke und/oder andere gewerbliche Schutz- oder Urheberrechte sowie das Know-how, die wirtschaftlichen und technischen Methoden und das Geschäftsordnungssystem des Franchise-Gebers zu nutzen.
Rz. 2
Dieser Begriff des Franchising entsprach dem in Art. 1 Nr. 3 der bis zum 31.12.1999 geltenden EU-Gruppenfreistellungsvereinbarung für Franchise-Vereinbarungen (Franchise-GVO – EU-VO 4087/88). Nach der Franchise-GVO wurde der Franchise-Begriff geprägt durch:
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Know-how: Gesamtheit von nichtpatentierten praktischen Erkenntnissen, die auf Erfahrungen des Franchise-Gebers sowie Erprobungen durch diesen beruhen und die geheim, wesentlich und identifiziert sind. |
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Geheim: Das Know-how muss in seiner Substanz, seiner Struktur oder der genauen Zusammensetzung seiner Teile nicht allgemein bekannt oder nicht leicht zugänglich sein, wobei der Begriff nicht in dem Sinne zu verstehen ist, dass jeder einzelne Teil des Know-how außerhalb des Geschäfts des Franchise-Gebers unbekannt oder unerhältlich sein müsste. |
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Wesentlich: Das Know-how umfasst Kenntnisse, die für den Verkauf von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen an Endverbraucher, insb. für die Präsentation der zum Verkauf bestimmten Waren, die Bearbeitung von Erzeugnissen im Zusammenhang mit der Erbringung von Dienstleistungen, die für die Art und Weise der Kundenbedienung sowie die Führung des Geschäfts in verwaltungsmäßiger und finanzieller Hinsicht wichtig sind. |
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Identifiziert: Das Know-how muss ausführlich genug beschrieben sein, um prüfen zu können, ob es die Merkmale des Geheimnisses und der Wesentlichkeit erfüllt. |
Diese Definition des Franchise-Begriffs, die auch der Definition im Ehrenkodex des Deutschen Franchise-Verbandes und European Code of Ethics for Franchising entspricht, gilt auch vor dem Hintergrund der seit dem 1.6.2022 geltenden EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vertriebsbindungen (Vertikal-GVO – EU-VO 720/2022). Insofern ist als Tendenz festzuhalten, dass sich an diesem von der Rspr. gebildeten Begriffs innerhalb des Franchising zukünftig kaum etwas ändern wird, auch nicht auf Grundlage der neuen seit dem 1.6.2022 geltenden Vertikal-GVO.
Hinweis
In der Rspr. des BGH sucht man eine Definition des Franchising vergeblich. Es verwundert daher nicht, dass vertikale Integrationsprozesse zwischen Industrie und Handel zu einem "Anweisungsvertrieb" und damit zu einer mitunter existenziellen Abhängigkeit des Franchise-Nehmers führen.
Allerdings ist weiterhin streitig, ob der Know-how-Begriff der Vertikal-GVO, der an und für sich nur für das Europäische Kartellrecht von Bedeutung ist, auch eine darüberhinausgehende allgemeine Bedeutung für die Vertragsgestaltung eines Franchise-Vertrages hat. Zumindest hat sich teilweise in der Rspr. die Gruppenfreistellungsverordnung als Wertungsmaßstab für zivilrechtliche Fragen durchgesetzt. Das OLG Rostock hat in seinem Urt. v. 29.6.1995 festgestellt, dass die seinerzeitige EU-Gruppenfreistellungsverordnung für Franchise-Vereinbarungen Maßstab für die Frage ist, ob ein Franchise-Vertrag sittenwidrig ist. Der BGH geht in seinem Urt. v. 13.7.2004 davon aus, dass die Gruppenfreistellungsverordnung im Rahmen der Inhaltskontrolle eines Franchise-Vertrages heranzuziehen ist, da dieser ein Interessenausgleich zwischen dem Franchise-Geber und dem Franchise-Nehmer verfolgt. Insofern kommt der Vertikal-GVO auch eine Ordnungs- und Leitbildfunktion i.S.v. § 307 Abs. 2 Satz 1 BGB zu. Es ist nicht zu erwarten, dass sich an dieser Betrachtung unter der seit dem 1.7.2010 geltenden Vertikal-GVO etwas ändern wird. Die Prüfung des dem Franchise-Nehmer zu überlassenden Know-how verlagerte sich somit von einer "Nützlichkeitsprüfung" auf eine "Unerlässlichkeitsprüfung". Nach der seit dem 1.6.2022 geltenden Vertikal-GVO (EU-VO 720/2022) muss nunmehr das dem Franchise-Nehmer zu überlassene Know-how nützlich und bedeutsam sein. Dabei werden von der EU-Kommission u.a. folgende Verpflichtungen als notwendig angesehen, um das Franchise-System und dessen Know-how zu s...