Rz. 173
§ 1 GWB verbietet in Übereinstimmung mit dem Europäischen Kartellrecht jegliche Form der Preisbindung bei Franchise-Systemen. Franchise-Geber sind demgemäß nicht berechtigt, den Franchise-Nehmern die Verkaufspreise für die von den Franchise-Nehmern abzusetzenden Produkte oder aber die Preise für die vom Franchise-Nehmer zu erbringenden Dienstleistungen vorzuschreiben. Soweit Bechthold sich dafür ausspricht, das Verbot der Preisbindung bei Franchise-Verträgen deswegen nicht anzuwenden, weil der Verbraucher wegen der Einheitlichkeit des Auftretens der Franchise-Organisation keine entsprechende Erwartungshaltung habe, ist dies vom OLG München in Übereinstimmung mit dem Bundeskartellamt abgelehnt worden. Zulässig sind sog. Kalkulationshilfen. Vorgegeben werden können auch Höchstpreise und unverbindliche Verkaufspreisempfehlungen. Allerdings darf eine Preisempfehlung nicht dazu genutzt werden, um eine Preisbindung im Franchise-System durchzusetzen. Darin liegt dann eine sog. unzulässige Umgehungspreisempfehlung. Allerdings sind nach der Rspr. des BGH Verkaufsförderungsaktionen mit gebundenen Preisen zulässig, wenn und soweit diese sich nur auf eine kurze Zeitdauer erstrecken und i.Ü. die Preishoheit des Franchise-Nehmers nur unwesentlich beeinflussen.
Das Bundeskartellamt hat immer unter Rückgriff auf die bisherige Spruchpraxis deutlich gemacht, dass bei Franchise-Systemen eine unzulässige Preisbindung i.S.v. § 1 GWB vorliegt, wenn
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der Franchise-Geber dem Franchise-Nehmer mit Nichtbelieferung oder Liefereinschränkungen droht, falls dieser die unverbindliche Verkaufspreisempfehlung unterschreitet; |
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der Franchise-Geber den Franchise-Nehmer gewünschte Belieferungen davon abhängig macht, dass der Franchise-Nehmer künftig die unverbindliche Verkaufspreisempfehlung einhält; |
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der Franchise-Geber dem Franchise-Nehmer eine Konditionenverbesserung in Aussicht stellt, dieser die geforderte Einhaltung der unverbindlichen Verkaufspreisempfehlung zusagt, was dieser auch tut; |
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der Franchise-Geber mit dem Franchise-Nehmer einen sog. "Preispflegerabatt" von 1,5 % auf den Einkaufspreis, der vierteljährlich nachträglich von der Rechnung abzieht, sofern der Franchise-Nehmer die unverbindliche Verkaufspreisempfehlung einhält. |
Deutlich wird damit, dass die Ausübung von Druck oder das Setzen von Anreizen zur Durchsetzung unverbindlicher Verkaufspreisempfehlungen einen Verstoß gegen § 1 GWB darstellt und demgemäß mit einer Geldbuße belegt werden kann.
Zu beachten ist aber auch, dass dann ein Verstoß gegen § 1 GWB vorliegen kann, wenn beim Informationsaustausch von Franchise-Nehmern untereinander oder zwischen dem Franchise-Geber und den Franchise-Nehmern bzw. den gelisteten Lieferanten des Franchise-Systems und dem Franchise-Nehmer "Datenlieferung" zu einer Abstimmung oder Absprache des Preissetzungsverfahren führen.
Rz. 174
Auch aufgrund der Regelungen der Vertikal-GVO (EU-VO 720/2022), aber auch gem. § 1 GWB, ist es dem Franchise-Geber gestattet, dem Franchise-Nehmer "Höchstpreise" vorzuschreiben. Dem Franchise-Nehmer muss jedoch, wovon das Vertragsmuster ausgeht, das Recht eingeräumt werden, diese Höchstpreise zu unterschreiten.
Die Vorgabe von "Niedrigpreisgrenzen" stellt demgegenüber eine unzulässige Preisbindung i.S.v. § 1 GWB dar. Eine entsprechende Regelung ist auch in das seit dem 1.1.2006 in Österreich geltende Kartellrecht (KartG 2005) übernommen worden, sodass insofern der kartellrechtliche Gestaltungsrahmen für Franchise-Verträge solcher Franchise-Systeme, die in Deutschland und Österreich tätig sind, einheitlich geworden ist.
Auch müssen die vorgegebenen Höchstpreise dem Franchise-Nehmer eine angemessene Spanne belassen. Fehlt diese, so liegt eine unzulässige Preisbindung gem. § 1 GWB vor.
Auch wenn dem Franchise-Nehmer eine eigene Preispolitik zusteht, darf dieser grds. seine Waren nicht unter "Einstandspreis" verkaufen. Allerdings ist nicht jeder Verkauf unter Einstandspreis wettbewerbswidrig. Vielmehr hat der BGH mit Urteil vom 30.3.2006 festgestellt, dass eine Preisgestaltung, durch die lediglich die abstrakte Gefahr begründet wird, dass in einzelnen Fällen Waren unter Einstandspreis abgegeben werden, keine unter dem Gesichtspunkt der gezielten Behinderung von Mitbewerbern anzusehende unlautere Wettbewerbshandlung darstellt. Eine solche Handlung sei objektiv nicht geeignet, einen oder mehrere Wettbewerber vom Markt zu verdrängen oder den Bestand des Wettbewerbs ernstlich zu gefährden. Insoweit ist durch den Franchise-Nehmer der Grundsatz der Preisunterbietungsfreiheit zu beachten, d.h. die einem Franchise-Nehmer eingeräumte Freiheit, seine Preisgestaltung in eigener Verantwortung vorzunehmen und auch die Preise von Konkurrenten zu unterbieten.
Rz. 175
Enthält ein Franchise-Vertrag eine unzulässige Preisbindungsklausel, führte deren Nichtigkeit nach der Entscheidung des BGH vom 8.2.1994 nicht zur Gesamtnichtigkeit des abgeschlossenen Franchise-Vertr...