Rz. 181
Der Franchise-Nehmer ist für seine regionale Werbung selbst verantwortlich. Dazu ist auch die Rspr. für die bei Franchise-Systemen immer bedeutsamer gewordene sog. Influencer-Werbung zu beachten. Ist diese wettbewerbswidrig, kann nicht nur der Franchise-Nehmer, sondern auch der Franchise-Geber auf Unterlassung oder ggf. auch auf Schadensersatz nach erfolgter Auskunftserteilung in Anspruch genommen werden. Der BGH hat insoweit in seinem Urt. v. 5.4.1995 festgestellt, dass dem Franchise-Geber wettbewerbswidriges Handeln des Franchise-Nehmers gem. § 8 Abs. 2 UWG 2008 (= § 8 Abs. 2 UWG a.F.) zuzurechnen ist. Die Franchise-Organisation sei insgesamt zu beurteilen. Für den Letztverbraucher sei i.d.R. nicht erkennbar, ob die wettbewerbswidrige Werbung vom Franchise-Nehmer oder auf Veranlassung des Franchise-Gebers geschaltet wird.
Allerdings kann dem Franchise-Geber nur die wettbewerbswidrige Handlung, nicht aber auch ein Auskunfts- und Schadensersatzanspruch zugerechnet werden. Für eine solche Zurechnung bietet § 8 Abs. 2 UWG 2008 (= § 8 Abs. 2 UWG a.F.) keine Rechtsgrundlage, wie der BGH in seinem Urt. v. 6.4.2000 festgestellt hat. Hätte der BGH in seiner Entscheidung angenommen, dass durch § 8 Abs. 2 UWG 2008 (= § 8 Abs. 2 UWG a.F.) auch ein solcher Schadensersatzanspruch dem Franchise-Geber zugerechnet wird, hätte für diesen immer die Gefahr bestanden, insgesamt für das Franchise-System auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden zu können, also für jegliche von einem Franchise-Nehmer – möglicherweise auch nicht mit der Zentrale abgestimmte – durchgeführte wettbewerbswidrige Werbung.
Hinweis
Nunmehr steht fest, dass jeder Franchise-Nehmer für die von ihm geschaltete wettbewerbswidrige Werbung selbst verantwortlich ist, soweit es um daraus resultierende Auskunfts- und Schadensersatzverpflichtungen geht. Damit dürften auch Kettenabmahnungen der Vergangenheit angehören, also Abmahnungen, bei denen jeder einzelne Franchise-Nehmer eines Franchise-Systems für die gleiche wettbewerbswidrige Werbung von einem Mitkonkurrenten abgemahnt wird, in der Hoffnung, dann Auskunfts- und Schadensersatzansprüche ggü. dem Franchise-Geber geltend machen zu können. Mit der weiteren Entscheidung des BGH vom 6.4.2000 ist davon auszugehen, dass solche Kettenabmahnungen innerhalb von Franchise-Systemen als missbräuchliche Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs anzusehen sind.
Rz. 182
Wird ein Franchise-System zu Unrecht abgemahnt, um so Druck auf den Franchise-Geber und die vom Franchise-System über die einzelnen Franchise-Nehmer ausgehende Werbung auszuüben, kann darin auf der Grundlage des Beschlusses des BGH vom 15.7.2005 ein rechtswidriger und schuldhafter Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Franchise-Gebers liegen. Der Abmahnende ist dann nicht nur zum Schadensersatz nach wettbewerbsrechtlichen Vorschriften, sondern auch aus § 826 BGB, § 823 Abs. 1 BGB verpflichtet.
Rz. 183
Die seit dem 28.5.2022 geltende PAngV bringt nicht nur zahlreiche Änderungen auch für Vertriebssysteme mit sich, sondern wirft auch eine Vielzahl von Fragen auf, und zwar sowohl bei Franchise-Nehmern als auch bei Franchise-Gebern, wie u.a.:
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Wie kann das Preismonitoring bei Preisermäßigungen on- und offline ab dem niedrigsten Gesamtpreis der letzten 30 Tage erfolgen? |
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Was ist zu beachten, wenn Streichpreise verwendet werden? |
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Wie muss die neue Preisangaben-Verordnung gegenüber Franchise-Nehmern kommuniziert werden? |
Allein die Frage der Kommunikation zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer zur Preispolitik des Franchise-Nehmers bzw. zu vom Franchise-Geber vorgegebenen unverbindlichen Verkaufspreisen bzw. der Ausgestaltung der Preise durch die Preisangaben-Verordnung zeigt eine große Unsicherheit – insbesondere vor dem Hintergrund der neuen EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vertriebsbindungen (EU-VO 720/2022), wonach kartellrechtlich nur ein solcher Informationsaustausch unbedenklich ist, wenn sich dieser auf "erforderliche Informationen" beschränkt.