Rz. 198
Kaum eine Entscheidung zum Franchise-Recht hat so viel Kritik hervorgerufen wie der Beschluss des LAG Düsseldorf vom 27.10.1987 zu "Jacques’ Weindepot". Dieser Diskussion setzt zwar das BAG mit Beschl. v. 13.9.1989 ein verfahrensrechtliches Ende, mehr aber nicht. Mittlerweile ist die Diskussion um die wirtschaftliche Selbstständigkeit des Franchise-Nehmers oder dessen Einstufung als Arbeitnehmer aber als abgeschlossen anzusehen, und zwar zum einen auf der Grundlage der sog. Eismann-Beschlüsse des BAG vom 16.7.1997 und des BGH vom 4.11.1998 sowie des Beschlusses vom 16.10.2002 zum vom Fass-Franchise-System.
Rz. 199
Die Selbstständigkeit eines Franchise-Nehmers beurteilt sich nach § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB, d.h. diese Vorschrift enthält ein typisches Abgrenzungsmerkmal, das über den unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus eine allgemeine, gesetzgeberische Wertung erkennen lässt.
Allein mit der Begründung, es liege ein Franchise-Vertrag vor, kann die Annahme eines Arbeitsverhältnisses nicht ausgeschlossen werden. Insofern kommt es also nicht auf die formale Ausgestaltung der vertraglichen Beziehungen, sondern auf die tatsächliche Vertragsdurchführung an.
Rz. 200
Das Merkmal der Weisungsgebundenheit ist abzuleiten. Das entspricht der herrschenden Meinung, wonach sich die Selbstständigkeit des Franchise-Nehmers anhand der Kriterien beurteilt, die gem. § 84 Abs. 1 HGB zur Selbstständigkeit des Handelsvertreters entwickelt wurden. Entscheidend ist somit, ob der Franchise-Nehmer einen Arbeitnehmer entsprechend eng in die Organisation des Franchise-Gebers einbindet. Es steht der Selbstständigkeit des Franchise-Nehmers also nicht entgegen, wenn
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er hinsichtlich Ausstattung der Räumlichkeiten an Weisungen gebunden ist, |
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Änderungen der Baulichkeit des Outlets der Einwilligung des Franchise-Gebers bedürfen, |
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ein bestimmtes Warensortiment bezogen werden muss, |
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zur Verfügung gestelltes Werbematerial zu verwerten ist, |
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er das Geschäftslokal i.R.d. gesetzlichen Ladenschlusszeiten möglichst lange geöffnet zu halten hat. |
Rz. 201
Entscheidend ist somit, dass der Franchise-Nehmer die Möglichkeit hat, seinen Geschäftsbetrieb i.R.d. ggf. zugewiesenen Vertragsgebietes zwar nach Vorgaben des Franchise-Gebers, aber ansonsten selbstständig zu organisieren. Letztlich hat er das unternehmerische Risiko zu tragen, darf also i.d.R. vom Franchise-Geber keine Vergütung beziehen, sondern muss Gewinne aus der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreisen erzielen.
Rz. 202
Immer wieder festzustellende Versuche, schon allein wegen des Abschlusses des Franchise-Vertrages die ArbG unter Hinweis auf die arbeitnehmerähnliche Schutzbedürftigkeit des Franchise-Nehmers anzurufen, dürften also jetzt der Vergangenheit angehören. Ein Franchise-Nehmer ist nur dann als arbeitnehmerähnlich schutzbedürftig anzusehen, wenn er wirtschaftlich vom Franchise-Geber abhängig ist und in seiner sozialen Stellung einem Arbeitnehmer vergleichbar schutzbedürftig ist. Dies wird bei solchen Franchise-Systemen, bei denen der Franchise-Nehmer lediglich die Produkte bzw. Dienstleistungen des Franchise-Systems abzusetzen bzw. anzuwenden und die Grundsätze der Corporate Identity des Franchise-Systems zu beachten hat, ansonsten aber jeden unternehmerischen Freiraum genießt, zu verneinen sein. Dazu gehört es insb., wenn der Franchise-Nehmer
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das Geschäft nicht nur eigenständig führt, sondern das Geschäftslokal selbst angemietet hat, |
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die Endpreise der von ihm abzusetzenden Produkte selbst bestimmen kann und |
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die Einbindung nicht so weitegehend ist, dass der Franchise-Nehmer keine Möglichkeit zu einer nennenswert anderweitigen Erwerbstätigkeit hat. |
Rz. 203
Dabei muss für den Franchise-Nehmer nicht die Möglichkeit gegeben sein, ein weiteres Geschäftslokal zu eröffnen; ausreichend kann schon sein, wenn er einen gewissen Prozentsatz der von ihm abzusetzenden Waren oder zu erbringenden Dienstleistungen (i.d.R. 20 % des Gesamtumsatzes) selbst bestimmen kann, wobei der Wegfall des Kriterienkatalogs des § 7 Abs. 4 SGB IV a.F. seit dem 1.1.2003 auch (wieder) andere Vertragsgestaltungen ermöglichen wird.
Rz. 204
Letztlich ist auch keine arbeitnehmerähnliche Schutzbedürftigkeit des Franchise-Nehmers anzunehmen, wenn dieser einem (nachvertraglichen) Wettbewerbsverbot unterliegt, das ihn nur bezogen auf die Produkte, Dienstleistungen und begrenzt auf das Vertragsgebiet seines ehemaligen Geschäfts bindet.