Rz. 67
Zum Teil wird dabei darauf verwiesen, dass die Schutzvorschriften des Aktiengesetzes nicht gegenüber der ausländischen Muttergesellschaft gelten würden, was jedoch bei der vorgenommenen kollisionsrechtlichen Beurteilung, dass stets das Personalstatut der abhängigen Gesellschaft heranzuziehen ist, als Fehleinschätzung zu bezeichnen ist.
Rz. 68
Nach anderer Ansicht leitet sich die Unzulässigkeit transnationaler Beherrschungsverträge daraus ab, dass dadurch die mitbestimmungsrechtlichen Vorgaben des deutschen Rechts umgangen werden könnten. Dem wird entgegengehalten, dass § 5 Abs. 3 MitbestG selbst nicht zwangsläufig eine der Mitbestimmung unterliegende Konzernspitze voraussetzt, vielmehr geht der Gesetzgeber selbst von der Möglichkeit einer mitbestimmungsfreien Konzernspitze aus. Dennoch gibt es auch zahlreiche Vorschläge, die auf eine Stärkung der Mitbestimmung bei grenzüberschreitenden Unternehmensverträgen abzielen, etwa die Vereinbarung vergleichbarer Mitbestimmungsrechte bei der ausländischen Muttergesellschaft.
Rz. 69
Für unzulässig werden grenzüberschreitende Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge auch unter dem Gesichtspunkt des Verbots der societas leonina gehalten. Die societas leonina wird teilweise deshalb für unzulässig gehalten, weil es bei ihr an einem gemeinsamen Zweck der Mitglieder einer Gesellschaft fehle, da nur einer der Beteiligten allein die Vorteile ziehen soll, während alle anderen nur Lasten tragen. Die Unzulässigkeit von grenzüberschreitenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen ergebe sich aus demselben Prinzip, wenn ein Teil der Gesellschafter vom Erfolg ausgeschlossen werde. Durch die Einstimmigkeit des Zustimmungsbeschlusses bei einer durch die ausländische Mutter beherrschten GmbH werde ein ausreichender Schutz gewährleistet. Das Verbot der societas leonina ist jedoch bei grenzüberschreitenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen mit einer AG nach deutschem Recht als Konzerntochter weiterhin zu beachten.
Rz. 70
Weiterhin wird die Unzulässigkeit grenzüberschreitender Unternehmensverträge, vor allem von Gewinnabführungsverträgen, aus steuerrechtlichen Gründen abgeleitet. So würde bei Gewinnabführung ins Ausland durch die deutsche abhängige Gesellschaft die Durchsetzung des deutschen Steueranspruches erschwert, da die Regelungen über die steuerrechtliche Organschaft nach §§ 14 ff. KStG wegen ihrer Beschränkung auf inländische Organträger und inländische Organgesellschaften nicht anwendbar seien. Dem ist jedoch zum einen entgegenzuhalten, dass § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG mittlerweile nur noch eine inländische Organgesellschaft verlangt, so dass die Organschaft grundsätzlich begründet werden kann. Zum anderen ist aber auch darauf zu verweisen, dass die bloße Erschwerung der Durchsetzung des Steueranspruchs genauso wenig wie die steuerliche Unattraktivität die Unzulässigkeit von Unternehmensverträgen begründen kann.
Rz. 71
Gleiches gilt für etwaige Probleme bei der gerichtlichen Durchsetzung von Ansprüchen. Zwar wird teilweise vertreten, dass ein Beherrschungsvertrag nach § 134 BGB dann nichtig sei, wenn die Schutzvorschriften des deutschen Aktienrechts gegenüber der ausländischen herrschenden Gesellschaft nicht durchsetzbar sind, weshalb wiederum darauf verwiesen wird, dass für eine ausdrückliche Vereinbarung der Geltung deutschen Rechts und eines deutschen Gerichtsstandes zu sorgen sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass kein Grundsatz des materiellen Privatrechts davon ausgeht, dass eine grundsätzlich schwierige Durchsetzung von prozessualen Ansprüchen die Nichtigkeit des geschlossenen Vertrags zur Folge hat. Zudem hat die Nichtigkeit eines solchen Unternehmensvertrags weitaus verheerendere Folgen für die Gläubiger der beherrschten Gesellschaft. Das kann nicht gewollt sein.
Rz. 72
Da die vorgebrachten Argumente nicht die Unzulässigkeit grenzüberschreitender Unternehmensverträge zu rechtfertigen vermögen, ist mit der ganz herrschenden Ansicht in der Literatur die Zulässigkeit von grenzüberschreitenden Unternehmensverträgen zu bejahen. Insbesondere ist dies damit zu begründen, dass das Gesetz in § 305 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AktG deutliche Hinweise für die Zulässigkeit von grenzüberschreitenden Unternehmensverträgen gibt. Danach ist nämlich zur Abfindung außenstehender Aktionäre bei herrschenden "Gesellschaften mit Sitz im Inland" die Gewährung eigener Aktien vorzusehen. Daraus lässt sich nur der Schluss ziehen, dass der Gesetzgeber auch den Unternehmensvertrag mit einer ausländischen Gesellschaft für möglich hält. Im Übrigen würde ansonsten § 305 Abs. 2 Nr. 3 AktG, der eine Barabfindungsregelung zulässt, weitestgehend leerlaufen. § 305 Abs. 2 AktG bezwecke mit dieser Regelung, dass ein Aktionär nicht gezwungen werden könne, Aktien einer Gesellschaft zu übernehmen, die nicht den Bestimmungen des Aktiengesetzes unterlägen. Abgesehen davon, dass durch die genannte Vorschrift ind...