Rz. 95
In einem jüngeren Urteil der Rs. "Lidl Belgium" hatte der EuGH zu entscheiden, ob es mit der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV, ex-Art. 43 EGV) vereinbar ist, dass ein Mitgliedstaat den Abzug von Verlusten einer in einem anderen Mitgliedstaat gelegenen Betriebsstätte – im Gegensatz zu inländischen Betriebsstätten – nicht zulässt, weil er hinsichtlich der Betriebsstätteneinkünfte die Freistellungsmethode im Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) vereinbart hat. Konkret konnte ein deutsches Unternehmen Verluste seiner luxemburgischen Betriebsstätten nicht bei der Gewinnermittlung in Deutschland abziehen, da die entsprechenden ausländischen Betriebsstättengewinne aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens in Deutschland freigestellt und im Betriebsstättenstaat besteuert wurden, folglich die Berücksichtigung der Verluste ebenfalls im Betriebsstättenstaat zu erfolgen hatte. Der EuGH bejahte in seinem Urteil zwar die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, da nur die Verluste von im Inland belegenen Betriebsstätten gewinnmindernd berücksichtigt werden können und dieser Steuervorteil deutsche Unternehmen davon abhalten könnte, ihre Tätigkeit über Betriebsstätten in anderen Mitgliedstaaten auszuüben. Er kam aber zu dem Schluss, dass diese Beschränkung vor dem Hintergrund der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten und zur Vermeidung doppelter Verlustberücksichtigung hinnehmbar sei. Die Regelung sei auch verhältnismäßig, da sie sowohl geeignet erscheint, die verfolgten Ziele zu erreichen, als auch angemessen ist, da sie nicht über das zur Erreichung der verfolgten Ziele Erforderliche hinausgeht. Die durch die luxemburgische Betriebsstätte entstandenen Verluste können in zukünftige Veranlagungszeiträume vorgetragen werden. Es handelt sich daher nicht um finale Verluste, wie es in der Rs. Marks & Spencer (Rs. C-446/03) der Fall war.
Rz. 96
Der EuGH bestätigt hiermit seine Rechtsprechung seit der Rs. Oy AA, dass es zur Rechtfertigung der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit ausreiche, wenn zwei von drei akzeptierten Rechtfertigungsgründen vorliegen. Im Übrigen folgt er mit seiner Entscheidung der bereits in der Rechtssache "Marks & Spencer" erkennbaren Linie, die Auswirkungen der unterschiedlichen Steuersysteme der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen und die Aufteilung der Steuerhoheiten zwischen den Mitgliedstaaten in Doppelbesteuerungsabkommen zu respektieren. Dieser Rechtsprechung hat sich auch der BFH angeschlossen.