Rz. 99
Im Verfahren geht es um den Konzernabzug von Verlusten der im Vereinigten Königreich ansässigen Betriebsstätte der LG Philips Display Netherlands BV auf der Ebene der britischen Philips Electronics UK. Der Konzernabzug wurde von den Finanzbehörden des Vereinigten Königreichs unter Hinweis auf den für ausländische Tochtergesellschaften nur eingeschränkt möglichen Konzernabzug abgelehnt. Das Upper Tribunal legte dem EuGH die Frage vor, ob es eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstelle, wenn nationale Rechtsvorschriften die Möglichkeit der Übertragung von Verlusten, die eine in diesem Mitgliedstaat ansässige Betriebsstätte einer gebietsfremden Gesellschaft erlitten hat, auf eine gebietsansässige Gesellschaft im Wege des Konzernabzugs davon abhängig mache, dass die Verluste nicht für die Zwecke einer ausländischen Steuer verwendet werden können, obwohl für die Übertragung der Verluste, die eine gebietsansässige Gesellschaft in diesem Mitgliedstaat erlitten hat, diese Einschränkung nicht gelte.
Rz. 100
Der EuGH entschied, dass die britische Regelung die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) einschränkt, da sie die Ausübung der Niederlassungsfreiheit durch die Errichtung einer Betriebsstätte gegenüber der Gründung einer Tochtergesellschaft weniger attraktiv macht. Darüber hinaus bestehe im Hinblick auf das Ziel des Steuersystems kein Unterschied zwischen der Besteuerung einer Betriebsstätte oder einer Tochtergesellschaft im Inland. Denn in beiden Fällen gehe es um die Möglichkeit, erlittene Verluste im Wege des Konzernabzugs auf eine andere Gesellschaft dieses Konzerns zu übertragen, so dass der Fall einer inländischen Betriebsstätte mit dem einer inländischen Tochtergesellschaft vergleichbar sei. Eine Rechtfertigung des Eingriffs komme nicht in Betracht. Die Besteuerungsbefugnis des Vereinigten Königreichs werde nicht dadurch beschränkt, dass die übertragenen Verluste gegebenenfalls auch in den Niederlanden berücksichtigt werden können.
Rz. 101
Mit diesem Urteil führt der EuGH seine Rechtsprechung zur grenzüberschreitenden Verlustberücksichtigung im Konzern fort. Die vorliegende Entscheidung betraf aber die Möglichkeit der Nutzung von Verlusten einer inländischen Betriebsstätte. Zudem stellt auch dieses Urteil auf die Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis als Rechtfertigungsgrund ab. Hieraus leitet sich die Frage ab, ob zukünftig nur noch dieser Rechtfertigungsgrund anstelle der Rechtfertigungstrias zu prüfen ist.
Rz. 102
Der vom EuGH geurteilte Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit ist im Hinblick auf die deutsche Reglung in § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG interessant. Auch diese Norm verwehrt einer inländischen Gesellschaft einen steuerlichen Vorteil, indem eine Berücksichtigung von Verlusten im Ausland erfolgt. Im Rahmen der Neufassung von § 14 KStG wurde zwar eine entsprechende Umformulierung im Hinblick auf diese Problematik diskutiert, von einer Anpassung wurde jedoch durch den Vermittlungsausschuss abgesehen.