I. Kollisionsrecht – schuldrechtliche Anknüpfung
Rz. 51
Man könnte bei kollisionsrechtlicher Betrachtung von (Beherrschungs- und) Gewinnabführungsverträgen davon ausgehen, dass es sich hierbei um dem Schuldrecht unterfallende Vereinbarungen handelt, über die gem. Art. 27 EGBGB eine freie Rechtswahl erfolgen kann. Dem ist jedoch der BGH in seiner Supermarkt-Entscheidung entgegengetreten, da er Unternehmensverträge als gesellschaftsrechtliche Organisationsverträge qualifizierte, bei denen Dritte (Minderheitsgesellschafter und Gläubiger) zu schützen seien. Diese Ansicht wird vor allem deshalb begrüßt, weil oft schon bei Vertragsabschluss kein gleichberechtigtes Verhältnis zwischen den beteiligten Gesellschaften besteht.
II. Kollisionsrecht – gesellschaftsrechtliche Anknüpfung
1. Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen
Rz. 52
Vorherrschend ist deshalb die Meinung, dass im grenzüberschreitenden Unterordnungskonzern das Personalstatut der abhängigen Gesellschaft ausschlaggebend ist. Das Konzernverhältnis hat seinen Ursprung in der Beteiligung an dieser Gesellschaft, so dass sich aus ihrer Rechtsordnung Regelungen bezüglich der Interessen der abhängigen Gesellschaft selbst, der außenstehenden Gesellschafter und ihrer Gläubiger, nicht jedoch der Schutz der herrschenden Gesellschaft, ihrer außenstehenden Gesellschafter und Gläubiger herleiten müssen. Die letztgenannten Bereiche unterfallen vielmehr dem Recht der Obergesellschaft. So unterliegen etwa zum Schutz der Aktionäre der Obergesellschaft Maßnahmen der Konzernbildung und Konzernleitung, durch die der Einfluss der Aktionäre geschmälert wird, ab einer bestimmten Eingriffsintensität der Zustimmung der Hauptversammlung der Muttergesellschaft. Heranzuziehen sind dabei im Falle der deutschen Muttergesellschaft die Grundsätze der sog. Holzmüller-Rechtsprechung und Gelatine-Rechtsprechung, auch bei Beurteilung der Gültigkeit von Vorgängen im Ausland.
2. Begründung
Rz. 53
Begründungsansätze für die überwiegend vertretene Ansicht werden unter verschiedenen Gesichtspunkten geliefert.
Rz. 54
Verwiesen wird zunächst auf die enge Verflechtung von Konzern- und Gesellschaftsrecht, die eine einheitliche Regelung des Gesellschafter- und Gläubigerschutzes innerhalb derselben Rechtsordnung verlange.
Rz. 55
Ein anderer Begründungsansatz geht dahin, dass es sich bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen i.S.v. § 291 AktG um Satzungsänderungen handele, die dem Gesellschaftsstatut der abhängigen Gesellschaft unterfallen. Für Unternehmensverträge nach § 292 AktG solle hingegen eine Sonderanknüpfung erfolgen.
Rz. 56
Vertreten wird auch eine Anknüpfung nach dem Ort der charakteristischen Leistung, also nach dem Recht des Ortes, an welchem die wirtschaftlich wesentliche Leistung vollzogen wird. Als charakteristische Leistung wird im Falle des Unterordnungskonzerns die Unterwerfung der beherrschten Gesellschaft angesehen, so dass deren Rechtsordnung heranzuziehen sei.
Rz. 57
Argumentiert wird auch unter Hinweis auf die Interessen der Personen, die zu der abhängigen Gesellschaft in rechtlicher Beziehung stehen. Sie müssten vor den Gefahren geschützt werden, die durch eine eigenständige unternehmerische Tätigkeit des herrschenden Unternehmens drohten. Das Recht der abhängigen Gesellschaft müsse deshalb auf die herrschende Gesellschaft ausstrahlen. Die abhängige Gesellschaft sei die Gesellschaft, bei der der Gefahrenschwerpunkt liege, weshalb sie schutzwürdig sei.
Rz. 58
Eine teilweise vorgenommene wirtschaftsrechtliche Sonderanknüpfung führt über das "Prinzip der Marktauswirkung im Inland" ebenfalls zur Anwendung des Statuts der abhängigen Gesellschaft.
Rz. 59
Die sog. ergebnisbestimmte Anknüpfung entwickelt kollisionsrechtliche Grundsätze aus den materiell-gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen, aus denen sich die Anknüpfung an das Recht der abhä...