Rz. 105
Aus der Zusammenschau der ergangenen Entscheidungen ist abzulesen, dass die grenzüberschreitende Ausweitung der deutschen Organschaft nicht erforderlich ist und nur definitive Verluste, d.h. Verluste, die nach dem ausländischen Steuerrecht nicht mehr berücksichtigungsfähig sind, beim inländischen Organträger abzuziehen sind.
Rz. 106
Zumindest wurde als Konsequenz durch die Rechtsprechung des EuGH das Kriterium des doppelten Inlandsbezugs aufgegeben. Nach § 14 Abs. 1 KStG ist es nun für die Organschaft nicht mehr erforderlich, dass die Gesellschaft ihren Sitz und die Geschäftsführung im Inland hat. Es wird aber bezweifelt, dass die neue Vorschrift europarechtskonform sei. Soweit damit auch die Verrechnung mit Gewinnen oder Verlusten aus einer inländischen Betriebsstätte der Organschaft versagt wird, für die Deutschland das Besteuerungsrecht hat, verstößt diese Einschränkung möglicherweise gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV. Dies legt zumindest die Entscheidung Philips Electronic UK Ltd. nahe.
Rz. 107
Des Weiteren scheint auch die neue Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG unionsrechtlich bedenklich. Die Norm sieht nunmehr vor, dass negative Einkünfte des Organträgers oder der Organgesellschaft bei der inländischen Besteuerung unberücksichtigt bleiben, soweit sie im Ausland im Rahmen der Besteuerung des Organträgers, der Organgesellschaft oder einer anderen Person berücksichtigt werden; auch ein Vortrag der betreffenden Verluste zur Verrechnung mit entsprechenden künftigen Gewinnen ist nicht vorgesehen. Hier stellt sich im Hinblick auf die Rs. Philips Electronic UK Ltd die Frage, ob die Regelung grenzüberschreitende Aktivitäten im Vergleich zu reinen Inlandsaktivitäten diskriminiert und damit gegen europäisches Gemeinschaftsrecht verstößt. Denn ein Mitgliedstaat darf nur die Berücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste zur Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten und der Vermeidung der Gefahr einer doppelten Verlustberücksichtigung bis zu deren Finalität versagen.
Rz. 108
Schließlich wird zum Teil auch das gesamte Institut der steuerrechtlichen Organschaft als unionsrechtswidrig eingestuft, nicht zuletzt deshalb, weil die mit dem Abschluss von Gewinnabführungsverträgen mit ausländischen beherrschten Gesellschaften zusammenhängenden Schwierigkeiten jedenfalls zu einer de-facto-Differenzierung und damit zu einer Ungleichbehandlung führen. Jedoch ist auch in den Mitgliedstaaten, in denen der Abschluss eines grenzüberschreitenden Gewinnabführungsvertrags gesellschaftsrechtlich nicht vorgesehen ist, i.d.R. eine entsprechende verpflichtende Vereinbarung zur Verlustübernahme auf schuldrechtlicher Basis möglich. Daneben reicht nach deutschem Recht aus, wenn im Verhältnis einer inländischen Organschaft zu einem ausländischen Unternehmen als Organträger der Gewinnabführungsvertrag auf dessen Seite unter der Firma einer inländischen Betriebsstätte (i.S.d. § 12 AO) des ausländischen Unternehmens geschlossen wird. Nach aktueller Rechtsprechung muss an dem Erfordernis einer Vereinbarung des Inhalts eines Gewinnabführungsvertrags durch Verpflichtung der Verlustübernahme als Kernbestandteil der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft auch im Rahmen einer normerhaltenden Reduktion festgehalten werden, da ansonsten ein Zustand erreicht würde, der zur Besserstellung grenzüberschreitender Sachverhalte gegenüber innerstaatlichen führte. Dies ist nicht Ziel unionsrechtlicher Rechtsprechung und Normen.