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Im Gegensatz zum Liquidationswert als Verkaufs- bzw. Zerschlagungswert handelt es sich bei dem Substanzwert um den Gebrauchswert der betrieblichen Substanz.[103] Über den Begriff und den konkreten Inhalt zur Ableitung des Substanzwerts und die zu berücksichtigenden Posten gibt es verschiedenste Auffassungen.[104] Unter der Fiktion der Going-Concern-Prämisse geht der Substanzwert prinzipiell vom Nachbau des Unternehmens auf der "grünen Wiese" aus.[105] Grundüberlegung in diesem Kontext ist, was für einen fiktiven Nachbau des Bewertungsobjekts geleistet werden muss. Es handelt sich somit um einen sog. Rekonstruktionswert, der eine Orientierung am Beschaffungsmarkt vorsieht.[106] Die Vermögensgegenstände werden mit ihren Wiederbeschaffungsaltwerten entsprechend ihrem Zustand zum Bewertungsstichtag angesetzt.[107] In der wissenschaftlichen Diskussion wird hervorgehoben, dass die Substanz eines Unternehmens keinen Wert an sich hat. Die Werthaltigkeit oder ihr finanzieller Nutzen ergeben sich erst durch Liquidation oder durch Ersparen zukünftiger Ausgaben. Daher wird bei der Diskussion um die Ausgestaltung ebenso differenziert zwischen dem Nachbau des aktuellen Unternehmens oder einem effizienten Vergleichsobjekt.[108] Im Ergebnis wird die Anwendung des Substanzwertes bei erwerbswirtschaftlichen Unternehmen in der Literatur kritisch gesehen. Der Substanzwert stellt keinen brauchbaren Anhaltspunkt für den Unternehmenswert dar.[109]

Da dem Substanzwert grundsätzlich der direkte Bezug zu künftigen finanziellen Überschüssen fehlt, kommt ihm auch bei der Ermittlung des Unternehmenswerts nach den Grundsätzen des IDW S 1 keine eigenständige Bedeutung zu.[110] Darüber hinaus verstößt der Substanzwert gegen den Grundsatz der Bewertungseinheit, da nur einzelne Vermögenswerte addiert werden. Dieser elementare Verstoß führt leicht zu falschen Wertansätzen.[111]

[103] Vgl. IDW S 1 (2008), Rn 170.
[104] Eine Übersicht findet sich in Bewertung und Transaktionsberatung, 2018, Abschnitt A, Rn 164.
[105] Vgl. Ballwieser/Hachmeister, Unternehmensbewertung, S. 204.
[106] Vgl. Böcking/Rauschenberg, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, § 2 Rn 2.40.
[107] Vgl. Mandl/Rabel, Methoden der Unternehmensbewertung, S. 87.
[108] Vgl. Mujkanovic, WPg 2010, 298.
[109] Vgl. Fleischer, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, § 1 Rn 1.57.
[110] Vgl. IDW S 1 (2008), Rn 171.
[111] Vgl. Behringer, Beck'sches Handbuch Unternehmenskauf im Mittelstand, B. Phase 1: Vorbereitung des Unternehmensverkaufs, Rn 32.

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