Benjamin Ballhorn, Jan König
Rz. 95
Die für das Marktportfolio geltende Risikoprämie ist anschließend an das unternehmensindividuelle Risiko anzupassen. Dies erfolgt durch den sog. Beta-Faktor. Dieser berücksichtigt, dass die Investition in Anteile des zu bewertenden Unternehmens regelmäßig eine andere Risikosituation aufweist, als die Investition in das Marktportfolio.
Rz. 96
Der Beta-Faktor als relatives Risikomaß beschreibt, in welchem Ausmaß die Einzelrendite des Wertpapiers die Veränderung der Rendite des Marktportfolios nachvollzieht. Ein Beta-Faktor von 1,0 impliziert, dass das Risiko des zu bewertenden Unternehmens die gleiche Risikostruktur wie das Marktportfolio aufweist. Bei einem Beta-Faktor über (unter) 1,0 liegt das unternehmensspezifische Risiko über (unter) dem Risiko des Marktes.
Rz. 97
Ausgehend von den Grundgedanken der Portfoliotheorie und des CAPM erfolgt die Ermittlung des Betafaktors durch eine Regressionsanalyse, in der Zeitreihen über die in der Vergangenheit realisierten Renditen für ein bestimmtes risikobehaftetes Wertpapier gegen einen für das Marktportfolio als repräsentativ angesehenen Aktienindex regressiert werden. Dieser ermittelte Regressionskoeffizient stellt den wertpapierspezifischen Beta-Faktor dar. Bei der Ableitung historischer Beta-Faktoren sind daher der Referenzindex (bspw. CDAX oder DAX), der Beobachtungszeitraum (bspw. 1, 2 oder 5 Jahre) und das Renditeintervall (bspw. täglich, wöchentlich oder monatlich) festzulegen. Je nach Auswahl der einzelnen Parameter können die Beta-Faktoren erheblich divergieren. Für die Einschätzung des künftigen operativen Risikos empfiehlt es sich daher, die einzelnen Parameter zu variieren und mögliche Abweichungen zu analysieren.
Die so ermittelten Beta-Faktoren sollten zudem auf ihre Belastbarkeit beurteilt werden. Hierfür werden in der Praxis insbesondere die Liquidität der Aktie sowie statistische Filterkriterien (insbesondere Bestimmtheitsmaß, t-Test und Standardfehler) herangezogen.
Rz. 98
Bei der Bewertung nicht notierter Unternehmen wird der Beta-Faktor in der Praxis aus einer Gruppe von Vergleichsunternehmen (Peer Group) hergeleitet, die das gleiche Risiko wie das zu bewertende Unternehmen aufweisen. In bestimmten Fällen kann auch der Ansatz von Branchen-Beta-Faktoren sachgerecht sein (siehe hierzu die Ausführungen in Rdn 116).
Rz. 99
Die am Kapitalmarkt direkt beobachtbaren (historischen) Beta-Faktoren berücksichtigen neben dem operativen Risiko auch das aus der Verschuldung des Unternehmens resultierende Finanzierungsrisiko. Um den unterschiedlichen Kapitalstrukturrisiken Rechnung zu tragen, sind daher Anpassungen aufgrund einer abweichenden Kapitalstruktur der Peer-Unternehmen im Vergleich mit dem zu bewertenden Unternehmen erforderlich. Nach kapitalmarkttheoretischen Überlegungen lassen sich die beobachtbaren (verschuldeten) Beta-Faktoren auf entsprechende Beta-Faktoren fiktiv unverschuldeter Unternehmen zurückführen. Die Berücksichtigung der unterschiedlichen Kapitalstrukturen erfolgt durch die "Bereinigung" der Einflüsse der Fremdfinanzierung des am Kapitalmarkt beobachtbaren Beta-Faktors ("unlevern") und anschließender Anpassung des ermittelten unverschuldeten Beta-Faktors an die Kapitalstruktur des Bewertungsobjekts ("relevern").
Rz. 100
Unabhängig von der Ableitung des Beta-Faktors (Peer Group oder Branche) ist im Einzelfall stets zu würdigen, ob der ermittelte Beta-Faktor für die Schätzung des zukünftigen operativen Risikos geeignet ist. Welche Auswirkung der Beta-Faktor und die Kapitalstruktur haben können, zeigt folgendes – stark vereinfachtes – Beispiel:
Ausgehend von einem ermittelten, unverschuldeten Beta-Faktor der Peer Group steigt mit Erhöhung des Verschuldungsgrads des Bewertungsobjekts c.p. auch das Kapitalstrukturrisiko. Das Kapitalstrukturrisiko mündet dann in einem höheren relevered Beta-Faktor des Bewertungsobjekts. Im Ergebnis führt ein höherer Verschuldungsgrad somit zu einem höheren Kapitalisierungszinssatz und c.p. zu einem niedrigeren Unternehmenswert.