Benjamin Ballhorn, Jan König
Rz. 82
Der Unternehmenswert ermittelt sich durch Diskontierung der den Anteilseignern zufließenden finanziellen Überschüsse. Bei der Ableitung der finanziellen Überschüsse sind daher sowohl die Ertragsteuern des Unternehmens sowie grundsätzlich auch Ertragsteuern auf Ebene der Unternehmenseigner wertmindernd zu berücksichtigen.
Die Ergebnisse sind zunächst um in- und ausländische Ertragsteuern auf Unternehmensebene zu mindern. Die anzusetzende Steuer ergibt sich in Abhängigkeit der Rechtsform. Für Kapitalgesellschaften sind – unabhängig von der geplanten Thesaurierung – Gewerbesteuern sowie Körperschaftsteuern (zzgl. SolZ) zu berücksichtigen. Bei Personengesellschaften und Einzelunternehmen sind als Unternehmenssteuern lediglich die Gewerbesteuern maßgeblich. Da Personengesellschaften und Einzelunternehmen für Zwecke der Einkommensteuer keine eigenständigen Steuersubjekte sind, erfolgt die Einkommensbesteuerung auf Eigentümerebene. Daher ist zudem die persönliche Ertragsteuerbelastung der Unternehmer – unter Berücksichtigung einer möglichen Anrechnung der Gewerbesteuer – zu erfassen.
Rz. 83
Auch bei Kapitalgesellschaften sind grundsätzlich die individuellen steuerlichen Verhältnisse der Anteilseigner zugrunde zu legen. Ertragsteuern auf Ebene der Unternehmenseigner sind grundsätzlich wertrelevant, da sie die Zuflüsse an die Anteilseigner mindern. Der IDW S 1 lässt jedoch bei bestimmten Bewertungsanlässen eine Typisierung der steuerlichen Verhältnisse der Anteilseigner zu, bei der die Ertragsteuern der Anteilseigner nicht explizit in der Bewertung berücksichtigt werden. Bei dieser sog. mittelbaren Typisierung wird die Annahme getroffen, dass die Netto-Zuflüsse aus dem Bewertungsobjekt und aus der Alternativanlage einer vergleichbaren persönlichen Besteuerung unterliegen. In diesem Fall werden sowohl der Kapitalisierungszinssatz als auch die finanziellen Überschüsse vor persönlichen Steuern angesetzt. Damit wird vereinfachend unterstellt, dass sich die steuerlichen Belastungen auf Anteilseignerebene im Zähler und Nenner ausgleichen. Eine solche mittelbare Typisierung ist bei Unternehmensbewertungen im Rahmen von Veräußerungen oder anderen unternehmerischen Initiativen vorgesehen. Auch bei steuerlichen und familien- und erbrechtlichen Bewertungsanlässen erscheint eine mittelbare Typisierung sachgerecht.
Rz. 84
Bei gesetzlichen und vertraglichen Bewertungsanlässen (bspw. Squeeze out) hingegen ist gem. IDW S 1 eine unmittelbare Typisierung der steuerlichen Verhältnisse der Anteilseigner anzunehmen. Dabei wird der objektivierte Unternehmenswert aus der Perspektive einer inländisch unbeschränkt steuerpflichtigen natürlichen Person ermittelt. Bei dieser unmittelbaren Typisierung sind zur unmittelbaren Berücksichtigung der persönlichen Ertragsteuern sachgerechte Annahmen zu deren Höhe sowohl bei den finanziellen Überschüssen als auch beim Kapitalisierungszinssatz zu treffen. Dabei ist – unter Berücksichtigung der geplanten Ausschüttungen – eine differenzierte Besteuerung von Dividenden und künftigen Veräußerungsgewinnen vorzunehmen. Die angenommene Ausschüttungsquote, die sich auf die Höhe der persönlichen Steuerbelastung auswirkt, erhält somit unmittelbare Wertrelevanz. Je höher die geplanten Ausschüttungen, desto höher ist der Anteil der sofortigen Besteuerung und somit auch die effektive persönliche Steuerbelastung.
Rz. 85
Bei der Ableitung des Unternehmenswertes ist zwingend auf eine konsistente Behandlung der persönlichen Steuern zu achten. Sofern bei der Ermittlung der finanziellen Überschüsse persönliche Steuern der Unternehmenseigner in Abzug gebracht werden (grundsätzlich bei Personengesellschaften sowie bei Kapitalgesellschaften im Rahmen der unmittelbaren Typisierung), ist auch der Kapitalisierungszinssatz nach persönlichen Steuern anzusetzen (vgl. hierzu Rdn 105).