Benjamin Ballhorn, Jan König
Rz. 15
Der Wert eines erwerbswirtschaftlichen Unternehmens wird grundsätzlich durch Diskontierung der erwarteten künftigen Überschüsse ermittelt und ergibt sich somit als Zukunftserfolgswert. Bei der Diskussion um die Frage der richtigen Unternehmensbewertung und den richtigen Wert haben sich im Laufe der Zeit verschiedene Grundsätze entwickelt, die bei der Bewertung von Unternehmen zu berücksichtigen sind. Der IDW S 1, als prägender Standard für die deutsche Bewertungspraxis, definiert sieben allgemeine Grundsätze zur Ermittlung von Unternehmenswerten:
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Maßgeblichkeit des Bewertungszwecks |
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Bewertung der wirtschaftlichen Unternehmenseinheit |
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Stichtagsprinzip |
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Bewertung des betriebsnotwendigen Vermögens |
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Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens |
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Unbeachtlichkeit des (bilanziellen) Vorsichtsprinzips |
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Nachvollziehbarkeit der Bewertungsansätze. |
I. Maßgeblichkeit des Bewertungszwecks
Rz. 16
Der Wert eines Unternehmens ergibt sich aus dem zukünftigen Nutzen, den das Unternehmen dem Anteilseigner stiften kann. Hierfür sind finanzielle Überschüsse zu prognostizieren und auf den Bewertungsstichtag zu diskontieren. Die Annahmen bezüglich der Höhe und Diskontierung der finanziellen Überschüsse sind abhängig vom Bewertungszweck. Eine sachgerechte Unternehmenswertermittlung nach den Grundsätzen des IDW S 1 setzt daher voraus, dass mit der Auftragserteilung festgelegt wird, in welcher Funktion der Bewerter tätig wird, um daraus die dem jeweiligen Bewertungszweck entsprechenden Annahmen und Typisierungen herleiten zu können.
Rz. 17
Für die Nachprüfbarkeit des Gutachtens sollte der Bewertungszweck im Gutachten dokumentiert werden, um deutlich zu machen, dass die Berechnungen nur in dem dargestellten Beziehungskomplex Gültigkeit besitzen.
II. Bewertung der wirtschaftlichen Unternehmenseinheit
Rz. 18
Eine ordnungsgemäße Unternehmensbewertung erfordert die Betrachtung des Unternehmens als Gesamtheit. Ein Bewertungsobjekt kann prinzipiell jede nutzenstiftende Zusammenfassung von Sachen, Rechten und Personen sein, die in ihrem Zusammenwirken im Rahmen der Wirtschaftsordnung überlebensfähig ist. Die finanziellen Überschüsse von Unternehmen ergeben sich aus dem Zusammenwirken zweckgerichteter Kombinationen von materiellen und immateriellen Werten. Der Wert eines Unternehmens wird deshalb grundsätzlich nicht durch die Werte der einzelnen Bestandteile des Vermögens und der Schulden bestimmt, sondern durch das Zusammenwirken aller Werte. Zur wirtschaftlichen Einheit gehören alle Bereiche des Unternehmens (wie bspw. Beschaffungs- und Absatzbeziehungen bzw. -märkte, Forschung und Entwicklung, Organisation, Finanzierung und Management), die gemeinsam zur Erzielung der zukünftigen finanziellen Überschüsse beitragen.
Rz. 19
Das Bewertungsobjekt kann, muss jedoch nicht mit der rechtlichen Abgrenzung des Unternehmens identisch sein. Entscheidend ist das nach wirtschaftlichen Kriterien definierte Bewertungsobjekt (z.B. Konzern, Betriebsstätte, strategische Geschäftseinheit), das sorgfältig abgegrenzt werden muss. Insbesondere bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU) können sich aufgrund der Vermischung von privater und betrieblicher Sphäre regelmäßig Schwierigkeiten bei der Abgrenzung des konkreten Bewertungsobjekts ergeben.
III. Stichtagsprinzip
Rz. 20
Die Ermittlung von Unternehmenswerten hat zeitpunktbezogen auf den Bewertungsstichtag zu erfolgen. Der Bewertungsstichtag legt die einzubeziehenden finanziellen Überschüsse fest. Der Bewertungsstichtag kann vertraglich vereinbart oder gesetzlich bestimmt sein. Grundsätzlich ist für die Bestimmung des Bewertungsstichtags entscheidend, zu welchem Zeitpunkt das Eigentum am Bewertungsobjekt übertragen werden soll.
Rz. 21
Die Erwartungen bzgl. der Höhe der künftigen finanziellen Überschüsse hängen von Umfang und Qualität kontinuierlich zufließender Informationen (bspw. Konjunkturentwicklung, Branchenaussichten, Verhalten der Wettbewerber) ab. Dies gilt sowohl für das Bewertungsobjekt als auch für die Alternativinvestition. Der Bewertungsstichtag definiert grundsätzlich den für die Bewertung relevanten Kenntnisstand. Bei Auseinanderfallen des Bewertungsstichtags und des Zeitpunkts der Durchführung der Unternehmensbewertung (wie es oftmals bei der Ermittlung von Unternehmenswerten im Rahmen familienrechtlicher Anlässe der Fall ist) darf nur der Informationsstand zugrunde gelegt werden, der bei angemessener Sorgfalt zum Bewertungsstichtag hätte erlangt werden können.
Rz. 22
Da Unternehmen keine statischen Gebilde sind, sind Investitionen oftmals zum Bewertungsstichtag bereits geplant oder mit ihre...