Benjamin Ballhorn, Jan König
I. Überblick
Rz. 45
Theorie und Praxis der Unternehmensbewertung sind durch eine große Methodenvielfalt geprägt. Die Verfahren der Unternehmensbewertungen lassen sich bspw. wie folgt systematisieren:
Die Gesamtbewertungsverfahren basieren auf dem Kapitalwertkalkül und stellen auf eine Bewertung der vom Unternehmen als Einheit zukünftig erwirtschafteten Überschüsse ab. Der Unternehmenswert wird durch den Gesamtertrag bestimmt, der aus dem Unternehmen künftig erwartet wird. Die Gesamtbewertungsverfahren lassen sich in die Ertragswertverfahren und die Discounted-Cash-Flow (DCF)-Ansätze unterscheiden. Bei den Überschlagsrechnungen wird der Unternehmenswert aus erzielten oder potenziellen Preisen für das zu bewertende Unternehmen oder für vergleichbare Unternehmen abgeleitet. Bei den Einzelbewertungsverfahren wird der Unternehmenswert aus der Summe der Werte der einzelnen "Unternehmensbestandteile" (Vermögensgegenstände und Schulden) berechnet. Dabei werden zunächst die Werte der einzelnen Vermögensgegenstände bestimmt. Im Anschluss erfolgt dann eine Zusammenrechnung der Einzelwerte zum Unternehmenswert. Die, in der Bewertungspraxis eher nachrangigen, Mischverfahren enthalten sowohl Elemente von Gesamt- als auch von Einzelbewertungsverfahren.
II. Gesamtbewertungsverfahren
Rz. 46
Bei Anwendung der Gesamtbewertungsverfahren wird der Unternehmenswert durch Diskontierung der künftigen finanziellen Überschüsse auf den Bewertungsstichtag ermittelt. Der Unternehmenswert (als Marktwert des Eigenkapitals) lässt sich rechentechnisch direkt durch Netto-Kapitalisierung (bspw. Ertragswertverfahren) oder indirekt durch Brutto-Kapitalisierung (bspw. WACC-Ansatz) ermitteln. Der Unterschied ergibt sich aus der Behandlung des Fremdkapitals.
Rz. 47
Bei der Netto-Kapitalisierung wird der Marktwert des Eigenkapitals in einem Schritt ermittelt. Dabei werden direkt die dem Eigenkapitalgeber zustehenden, d.h. bereits um Fremdkapitalzinsen verminderten finanziellen Überschüsse prognostiziert und mit den risikoäquivalenten Eigenkapitalkosten diskontiert. Bei der indirekten Brutto-Kapitalisierung werden zunächst die den Eigen- und Fremdkapitalgebern zustehenden finanziellen Überschüsse mit unterschiedlichen Zinssätzen diskontiert. Ergebnis ist der Gesamtunternehmenswert (Entity Value). Grundlage der auf der Brutto-Kapitalisierung basierenden Methoden sind die vom zu bewertenden Unternehmen erwirtschafteten operativen Überschüsse vor Abzug der Fremdkapitalkosten. Der Marktwert des Eigenkapitals ergibt sich dann nach Abzug des Fremdkapitals.
Rz. 48
Ertragswert- und Discounted Cash Flow-Verfahren beruhen auf dem gleichen investitionstheoretischen Fundament (Kapitalwertkalkül). Konzeptionell können mit beiden Bewertungsmethoden sowohl objektivierte Unternehmenswerte als auch subjektive Entscheidungswerte ermittelt werden. Bei gleichen Bewertungsannahmen führen die einzelnen Verfahren zu identischen Ergebnissen. Werden in der Praxis unterschiedliche Unternehmenswerte aufgrund der beiden Verfahren beobachtet, so ist dies regelmäßig auf unterschiedliche Annahmen und Vereinfachungen – insbesondere hinsichtlich Kapitalstruktur, Risikozuschlag und anderer Planannahmen – zurückzuführen. Die Wahl zwischen Ertragswert- und DCF-Methode allein hat grundsätzlich keinen Einfluss auf das Bewertungsergebnis.
1. Ertragswertverfahren
Rz. 49
Bei dem Ertragswertverfahren wird der Unternehmenswert durch Diskontierung der den Unternehmenseignern in Zukunft aus dem Unternehmen zufließenden, um Fremdkapitalkosten verminderten Erträge ermittelt. Die Prognose der zukünftigen Erträge erfolgt auf Basis der geplanten (handelsrechtlichen) Jahresüberschüsse. Die finanziellen Überschüsse sind mit den risikoadäquaten Eigenkapitalkosten auf den Bewertungsstichtag abzuzinsen, um sie mit der dem Investor zur Verfügung stehenden Alternativanlage vergleichbar zu machen. Der in den Eigenkapitalkosten enthaltene Risikozuschlag muss sowohl das operative Risiko als auch das Kapitalstrukturrisiko des zu bewertenden Unternehmens erfassen.
2. DCF-Verfahren
Rz. 50
Bei den Discounted Cash Flow-Verfahren (DCF-Verfahren) wird der Unternehmenswert durch Diskontierung zukünftiger Cash Flows ermittelt. Je nach Definition der bewertungsrelevanten Cash Flows und der anzuwendenden Diskontierungssätze können mehrere DCF-Verfahren unterschieden werden. Hierbei sind insbesondere der Flow to Equity (FtE)-Ansatz, der Weighted Aver...