Benjamin Ballhorn, Jan König
I. Abgrenzung KMU
Rz. 109
In der Fachwelt gibt es seit vielen Jahren die Diskussion zur sachgerechten Bewertung von sog. "kleinen und mittleren Unternehmen" (KMU). Aufgrund der in der Praxis regelmäßig beobachtbaren pauschalen Vorgehensweisen (insbes. Zuschläge auf den Kapitalisierungszinssatz) haben sich das IDW und die Bundessteuerberaterkammer mit den Besonderheiten zur Bewertung solcher Unternehmen beschäftigt und die gewonnenen Erkenntnisse in Form eines überwiegend gleichlautenden Praxishinweises konkretisiert. Mit Veröffentlichung des Praxishinweises 1/2014 wurden ergänzende Ausführungen gegeben, wie bei der Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte mit KMU-spezifischen Besonderheiten umzugehen ist. Bei diesen Ausführungen handelt es sich jedoch lediglich um Hilfestellungen. Es handelt sich nicht um zusätzliche Anforderungen oder Ausnahmen von der Anwendung maßgeblicher Berufsgrundsätze wie dem IDW S 1.
Rz. 110
Aufgrund der unterschiedlichsten quantitativen Abgrenzungsmerkmale und der Tatsache, dass sich mittelständische Betriebe nur bedingt anhand normativer Größenordnungen identifizieren lassen, stellt sowohl die Theorie als auch die Praxis bei der Abgrenzung von KMU gegenüber Großunternehmen insbesondere auf qualitative Eigenschaften ab, welche ein besonderes Vorgehen bei der Unternehmensbewertung erfordern. Bei der Unternehmensbewertung von entscheidender Bedeutung ist die Personenbezogenheit. KMU zeichnen sich dadurch aus, dass eine weitgehende Einigkeit von Eigentum und Verfügungsmacht besteht und der Eigentümer im Mittelpunkt der Leistungserstellung steht. Im Gegensatz zu Großunternehmen verfügen KMU zumeist über kein unabhängiges Management. Den Eigentümern obliegt grundsätzlich die Geschäftsführung und sie haben einen prägenden Einfluss auf die Entwicklung des Unternehmens bspw. durch ihre Kontakte, ihre besonderen Fähigkeiten, ihr spezielles Know-how oder ihre Reputation. Der unternehmerischen Fähigkeit der Eigentümer kommt daher eine erhebliche Bedeutung zu. Davon abzugrenzen sind reine Kapitalbeteiligungen, bei denen Gesellschafter oder Aktionäre keinen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg der Unternehmen haben.
II. Ermittlung der übertragbaren Ertragskraft
Rz. 111
Gemäß dem IDW S 1 ist auf die dem Unternehmen innewohnende Ertragskraft abzustellen. Bei personenbezogenen Unternehmen ist regelmäßig beobachtbar, dass der Gesellschafter durch persönliche Fähigkeiten maßgeblich den Unternehmenserfolg bedingt. Typische Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer solchen Konstellation liegen vor, wenn sich der Unternehmer in der Rolle des (Haupt-)Leistungserbringers präsentiert und seine Leistung über die Kundenzufriedenheit entscheidet. Eine ähnliche Wirkung kann eintreten, wenn der Unternehmer als Verkaufsleiter, Geschäftsleiter, Vertrauensperson oder Know-how-Träger sein Unternehmen steuert. Damit liegt ein wesentlicher Erfolgsfaktor nicht in der Sphäre des Unternehmens, sondern in der des Unternehmers. Soll aber der Wert des Unternehmens ermittelt werden, dürfen nur die Faktoren erfasst werden, über die das Unternehmen auch verfügen kann.
Rz. 112
Persönliche Fähigkeiten des Gesellschafters liegen nicht in dem Einflussbereich des Unternehmens. Für die Bewertung ist daher eine Betrachtung notwendig, ob und inwieweit solche persönlichen Fähigkeiten dem Unternehmen zur Verfügung stehen können. Für eine angemessene Behandlung dieser Fähigkeiten ist daher zu unterstellen, dass der Gesellschafter zum Bewertungsstichtag ausscheidet. Eine gegenteilige Annahme sollte dagegen nur in Ausnahmefällen getroffen werden. Dies könnte z.B. der Fall sein, wenn vertragliche Verpflichtungen des Gesellschafters vorliegen oder vergleichbare Fähigkeiten entgeltlich beschafft werden könnten. Im letzteren Fall wären die entsprechenden Entgelte in der Planungsrechnung anzusetzen.
Rz. 113
Aus diesem Grund sind die Einflüsse des Eigentümers bei der Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte entsprechend zu eliminieren. Sofern von einer vollständig übertragbaren Ertragskraft ausgegangen wird, setzt das die Annahme voraus, dass der Gesellschafter nicht gestaltend im Unternehmen tätig ist. Der Erwerber kann d...