Benjamin Ballhorn, Jan König
I. Bewertungsanlässe und Relevanz des IDW S 13
Rz. 145
Die Bewertung von Unternehmen oder Unternehmensanteilen hat bei familien- und erbrechtlichen Anlässen regelmäßig einen maßgeblichen Einfluss auf die Höhe des Ausgleichs- oder Auseinandersetzungsanspruchs. Zu den Anlässen gehören der Zugewinnausgleich im ehelichen Güterrecht (§§ 1363 ff. BGB), der Pflichtteilsanspruch (§§ 2302 ff. BGB) sowie die Erbauseinandersetzung (§§ 2402 ff. BGB).
Für die Ermittlung der Unternehmenswerte sind in der familien- und erbrechtlichen Bewertungspraxis sehr unterschiedliche Bewertungsmethoden beobachtbar, welche teilweise auf stark vereinfachten Überlegungen beruhen. Ursächlich hierfür ist u.a. eine Rechtsprechung, die sich im Zeitablauf stark verändert hat und teilweise auch nicht im Einklang mit aktuellen betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen und Vorgehensweisen zur Unternehmensbewertung steht.
Vor dem Hintergrund der von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen hat das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) mit Datum vom 20.6.2016 einen eigens für familien- und erbrechtliche Bewertungsanlässe gültigen Standard verabschiedet. Der IDW S 13 "Besonderheiten bei der Unternehmensbewertung zur Bestimmung von Ansprüchen im Familien- und Erbrecht" soll den Vorgaben der Rechtsprechung Rechnung tragen und auch das Vorgehen in der Praxis vereinheitlichen. Mit dem IDW S 13 wurde der bisher gültige HFA 2/1995 ersetzt.
II. Zweistufige Vorgehensweise
Rz. 146
Der IDW S 13 sieht für die Ableitung des Ausgleichs-/Auseinandersetzungsanspruchs im Familien- und Erbrecht (weiterhin) eine zweistufige Ermittlung vor. Auf der ersten Stufe ist der objektivierte Unternehmenswert der Gesellschaft zu bestimmen. Auf dieser ersten Stufe stellt die Bewertung eines Unternehmens oder Unternehmensanteils im Familien- und Erbrecht keinen Sonderfall der Unternehmensbewertung in dem Sinne dar, dass von dem IDW S 1 abweichende betriebswirtschaftliche Bewertungsregelungen gelten würden. Aufgrund rechtlicher Besonderheiten, die insbesondere aus der Veräußerungsfiktion resultieren, wird dann auf einer zweiten Stufe eine Überleitung vom objektivierten Unternehmenswert zum konkreten Ausgleichs-/Auseinandersetzungsanspruch vorgenommen.
III. Überleitung zum Ausgleichs-/Auseinandersetzungsanspruch
1. Latente Steuern
Rz. 147
Kernelement bei der Überleitung zum Ausgleichs-/Auseinandersetzungsanspruch ist die, in der Literatur intensiv diskutierte, Berücksichtigung latenter Ertragsteuern. Hier verweist der IDW S 13 auf die aktuelle Rechtsprechung des BGH zum Familien- und Erbrecht. Diese verlangt im Rahmen der Ermittlung des Zugewinnausgleichs stets und unabhängig vom zugrunde liegenden Wertkonzept (Liquidation oder Fortführung) den Abzug latenter Steuern. Dies gilt auch dann, wenn eine Veräußerung weder geplant ist, noch mit dieser gerechnet werden kann. Bei den latenten Ertragsteuern handelt es sich laut Ausführungen des BGH um "unvermeidbare Veräußerungskosten". Aufgrund der seitens der Rechtsprechung unterstellten Veräußerungsfiktion des Vermögensgegenstands (das Unternehmen) zum Stichtag soll nur der um die fiktiv zu zahlende Steuer geminderte Betrag auf die Ehegatten verteilt werden.
Rz. 148
Für die Berechnung von Pflichtteilsansprüchen hat der BGH hingegen bislang erst dann den Abzug latenter Ertragsteuern vorgeschrieben, wenn abzusehen ist, dass es zur Aufdeckung von stillen Reserven kommt. Ferner sind latente Ertragsteuern dann zu berücksichtigen, wenn nach dem der Unternehmensbewertung zugrunde liegenden Verwertungsszenario nicht von einer Fortführung des Unternehmens, sondern von dessen Veräußerung oder Liquidation ausgegangen wird. Losgelöst von der bisherigen Rechtsprechung erscheint es jedoch geboten, dass bei der Ermittlung eines Pflichtteilsanspruchs und des Zugewinnausgleichs bei der Berücksichtigung der latenten Ertragsteuern die gleichen Grundsätze gelten. Auch bei der Pflichtteilsberechnung wird fingiert, der Nachlass sei zum Zeitpunkt des Stichtages veräußert worden. Bei beiden Ermittlungen werden demnach gleiche Grundsätze zugrunde gelegt. Die Notwendigkeit einer einheitlichen Vorgehensweise ergibt sich auch aus § 1371 BGB. Schließlich erhält der Ehegatte im Falle des § 1371 BGB bei Wahl der sog. güterrechtlichen Lösung nach Abs. 2, ebenso wie im Falle des Abs. 3, Zugewinnausgleichsanspruch und Pflichtteilsanspruch nebeneinander. Es ist kein Grund ersichtlich, warum in einem solchen Falle die zugrundeliegenden Werte unterschiedlich bestimmt werden sollten.
Rz. 149
Während der Abzug der latenten Ertragsteuern bei Zugrundelegung eines Verwertungsszenarios (wie im Falle der Berechnung eines Liquidationswerts) auch betriebswirtschaftlich sachgerecht ist, wirft die Berücksichtigung latenter Ertra...