Benjamin Ballhorn, Jan König
Rz. 115
Nach Verständnis des IDW S 1 ist bei objektivierten Bewertungen grundsätzlich eine marktgestützte Ableitung des Kapitalisierungszinssatzes auf Basis des CAPM einschlägig. Die Ermittlung des Risikozuschlags ist auch bei der Bewertung von KMU auf Grundlage des CAPM vorzunehmen. Da KMU nahezu ausnahmslos keine Börsennotierung aufweisen, kommt im Regelfall nur eine mittelbare Anwendung des CAPM in Betracht. In der Praxis stellt sich daher häufig die Problematik der Bestimmung des Beta-Faktors bei KMU. Zur Schätzung des Beta-Faktors sollte auf eine Gruppe börsennotierter Vergleichsunternehmen zurückgegriffen werden. In die Peer Group sollten vornehmlich Unternehmen einbezogen werden, deren Geschäftsmodell im Wesentlichen mit dem des zu bewertenden Unternehmens übereinstimmt. Wenn keine börsennotierten Wettbewerber identifiziert werden können, können auch Unternehmen einbezogen werden, deren Geschäftsmodell durch vergleichbare Risikofaktoren beeinflusst wird. Dabei handelt es sich vor allem um Unternehmen vor- oder nachgelagerter Wertschöpfungsketten.
Rz. 116
Ebenfalls besteht die Möglichkeit, auf ein Branchen-Beta zurückzugreifen. Die Anwendung von Branchen-Betas basiert auf der Annahme, dass das Geschäftsrisiko wesentlich durch das Branchenumfeld geprägt ist. Diese Vorgehensweise kann insbes. dann sachgerecht sein, wenn das Unternehmen einer homogenen Branche zugeordnet werden kann. Falls jedoch das Risikoprofil des Bewertungsobjektes mit Hilfe der Beta-Faktoren der Peer Group nicht sachgerecht nachgebildet werden kann, können gutachterliche Anpassungen des unternehmensspezifischen Risikozuschlags erforderlich sein. Die pauschale Annahme eines Betafaktors für ein verschuldetes Unternehmen in Höhe von 1,0 ist regelmäßig nicht sachgerecht.
Rz. 117
Eine weitere Frage zur Anwendung des CAPM bei KMU ergibt sich im Hinblick auf die Annahme der vollständigen Diversifikation der Gesellschafter. Im Rahmen des CAPM werden lediglich systematische Risiken berücksichtigt, da unsystematische Risiken durch Diversifikation eliminiert werden können. Gerade bei KMU stellt sich jedoch die Frage, ob die Anteilseigner vollständig diversifiziert sind. Eigentümer von KMU binden oftmals den Großteil ihres Vermögens in dem Unternehmen, sodass im Ergebnis keine Diversifikation vorliegt. Insofern stellt sich die Frage, ob bei der Wertableitung auch die unsystematischen Risiken vergütet werden müssen.
Rz. 118
Die Bestimmung dieses Gesamtrisikos kann bswp. durch den Ansatz eines Total-Betas erfolgen. Bei diesem werden die Renditeerwartungen aus dem Verhältnis der Standardabweichung der Unternehmensentwicklung zur Standardabweichung der Marktrendite abgeleitet. Eine solche Vorgehensweise kann für subjektive Entscheidungsfindungen hilfreich sein. Für objektivierte Bewertungen ist ein Gebrauch jedoch nicht sachgerecht. Unsystematische Risiken werden in der "CAPM-Welt" nicht vergütet und sind nicht Bestandteil eines kapitalmarktorientierten Kapitalisierungszinssatzes einer objektivierten Bewertung. Objektivierte Unternehmensbewertungen zeichnet der Umstand aus, von den individuellen Verhältnissen auf Ebene der Gesellschafter zu abstrahieren. An die Stelle der individuellen – und regelmäßig durch subjektive Wahrnehmungen geprägten – Verhältnisse treten typisierte Maßstäbe. Individuelle Besonderheiten auf der Gesellschafterebene werden für objektivierte Bewertungen daher eliminiert. Objektivierten Unternehmensbewertungen ist daher nicht das Diversifikationsverhalten des Einzelnen, sondern das typisierte Verhalten der Mehrheit der Marktteilnehmer zugrunde zu legen. Ein typisierter Unternehmenseigner kann idealtypisch als hinreichend diversifiziert angesehen werden.
Rz. 119
In der Praxis werden darüber hinaus häufig (pauschale) Risikozuschläge bei KMU diskutiert, die u.a. mit der Unternehmensgröße (size effect) begründet werden. Die Anwendung sog. Size-Premium für KMU wird mit einem höheren Risikoniveau dieser Unternehmen im Vergleich zu großen, i.d.R. börsennotierten Gesellschaften begründet. Untersuchungen insbes. im amerikanischen Raum haben ergeben, dass kleinere Unternehmen im Durchschnitt höhere Renditen aufweisen. Die Übertragbarkeit dieser Studien auf den deutschen Markt ist jedoch fraglich. Dieser Eindruck wird verstärkt durch Studien auf dem deutschen Markt, die teilweise zu dem Ergebnis gekommen sind, dass Size-Premium tendenziell eher für größere als für kleinere Unternehmen messbar sind. Der Ansatz von Size-Premium ist daher kritisch zu sehen. Losgelöst von den Untersuchungen mangelt es auch an einer theoretischen Fundierung. Nach dem heutigen Stand der Kapitalmarkttheorie sind Size-Premium nicht nachvollziehbar.
Rz. 120
Ein weiterer in der Praxis oft diskutierter zusätzlicher Risikozuschlag oder Wertabschlag ergibt sich aus der mangelnden Fungibilität von Anteilen an KMU. Unter Fungibilität wird allgemein die Fähigkeit verstanden, die Eigentumsanteile an einer Gesellschaft...