Benjamin Ballhorn, Jan König
Rz. 20
Die Ermittlung von Unternehmenswerten hat zeitpunktbezogen auf den Bewertungsstichtag zu erfolgen. Der Bewertungsstichtag legt die einzubeziehenden finanziellen Überschüsse fest. Der Bewertungsstichtag kann vertraglich vereinbart oder gesetzlich bestimmt sein. Grundsätzlich ist für die Bestimmung des Bewertungsstichtags entscheidend, zu welchem Zeitpunkt das Eigentum am Bewertungsobjekt übertragen werden soll.
Rz. 21
Die Erwartungen bzgl. der Höhe der künftigen finanziellen Überschüsse hängen von Umfang und Qualität kontinuierlich zufließender Informationen (bspw. Konjunkturentwicklung, Branchenaussichten, Verhalten der Wettbewerber) ab. Dies gilt sowohl für das Bewertungsobjekt als auch für die Alternativinvestition. Der Bewertungsstichtag definiert grundsätzlich den für die Bewertung relevanten Kenntnisstand. Bei Auseinanderfallen des Bewertungsstichtags und des Zeitpunkts der Durchführung der Unternehmensbewertung (wie es oftmals bei der Ermittlung von Unternehmenswerten im Rahmen familienrechtlicher Anlässe der Fall ist) darf nur der Informationsstand zugrunde gelegt werden, der bei angemessener Sorgfalt zum Bewertungsstichtag hätte erlangt werden können.
Rz. 22
Da Unternehmen keine statischen Gebilde sind, sind Investitionen oftmals zum Bewertungsstichtag bereits geplant oder mit ihrer Durchführung begonnen. Bereits begonnene Investitionen und ihre Folgewirkungen (noch fehlende Investitionssumme, Erträge, Abschreibungen und Zinsen) sind bei der Bewertung entsprechend zu berücksichtigen. Zum Zeitpunkt der Bewertung lediglich geplante Investitionen finden im objektivierten Unternehmenswert üblicherweise keinen Niederschlag, sofern diese nicht im Unternehmenskonzept hinreichend konkretisiert sind.
Rz. 23
In den Fällen, in denen der Bewertungsstichtag mehrere Jahre zurückliegt, stellt sich die Frage, ob Erkenntnisse aus der tatsächlich zu beobachtenden Entwicklung zu berücksichtigen sind, welche zwar am Stichtag bestehende Verhältnisse "aufhellen", die Verhältnisse selbst aber zum Stichtag bei aller gebotenen Sorgfalt nicht erkennbar waren. Nach der vom BGH begründeten sog. Wurzeltheorie dürfen nur jene Erkenntnisse berücksichtigt werden, deren Wurzeln in der Zeit vor dem Bewertungsstichtag gelegt wurden. Hierfür reicht es nicht aus, dass "sich rückblickend eine irgendwie geartete Kausalkette bis vor den Stichtag zurückverfolgen lässt". Es muss zumindest überwiegend wahrscheinlich sein, dass die erst später der Allgemeinheit zugänglichen Erkenntnisse und Entwicklungen bereits am Bewertungsstichtag erwartet wurden. Insbesondere die Zugrundelegung von erzielten Ist-Ergebnissen, als Ersatz für die Prognose der zukünftigen Überschüsse scheidet damit grundsätzlich aus.