Benjamin Ballhorn, Jan König
1. Latente Steuern
Rz. 147
Kernelement bei der Überleitung zum Ausgleichs-/Auseinandersetzungsanspruch ist die, in der Literatur intensiv diskutierte, Berücksichtigung latenter Ertragsteuern. Hier verweist der IDW S 13 auf die aktuelle Rechtsprechung des BGH zum Familien- und Erbrecht. Diese verlangt im Rahmen der Ermittlung des Zugewinnausgleichs stets und unabhängig vom zugrunde liegenden Wertkonzept (Liquidation oder Fortführung) den Abzug latenter Steuern. Dies gilt auch dann, wenn eine Veräußerung weder geplant ist, noch mit dieser gerechnet werden kann. Bei den latenten Ertragsteuern handelt es sich laut Ausführungen des BGH um "unvermeidbare Veräußerungskosten". Aufgrund der seitens der Rechtsprechung unterstellten Veräußerungsfiktion des Vermögensgegenstands (das Unternehmen) zum Stichtag soll nur der um die fiktiv zu zahlende Steuer geminderte Betrag auf die Ehegatten verteilt werden.
Rz. 148
Für die Berechnung von Pflichtteilsansprüchen hat der BGH hingegen bislang erst dann den Abzug latenter Ertragsteuern vorgeschrieben, wenn abzusehen ist, dass es zur Aufdeckung von stillen Reserven kommt. Ferner sind latente Ertragsteuern dann zu berücksichtigen, wenn nach dem der Unternehmensbewertung zugrunde liegenden Verwertungsszenario nicht von einer Fortführung des Unternehmens, sondern von dessen Veräußerung oder Liquidation ausgegangen wird. Losgelöst von der bisherigen Rechtsprechung erscheint es jedoch geboten, dass bei der Ermittlung eines Pflichtteilsanspruchs und des Zugewinnausgleichs bei der Berücksichtigung der latenten Ertragsteuern die gleichen Grundsätze gelten. Auch bei der Pflichtteilsberechnung wird fingiert, der Nachlass sei zum Zeitpunkt des Stichtages veräußert worden. Bei beiden Ermittlungen werden demnach gleiche Grundsätze zugrunde gelegt. Die Notwendigkeit einer einheitlichen Vorgehensweise ergibt sich auch aus § 1371 BGB. Schließlich erhält der Ehegatte im Falle des § 1371 BGB bei Wahl der sog. güterrechtlichen Lösung nach Abs. 2, ebenso wie im Falle des Abs. 3, Zugewinnausgleichsanspruch und Pflichtteilsanspruch nebeneinander. Es ist kein Grund ersichtlich, warum in einem solchen Falle die zugrundeliegenden Werte unterschiedlich bestimmt werden sollten.
Rz. 149
Während der Abzug der latenten Ertragsteuern bei Zugrundelegung eines Verwertungsszenarios (wie im Falle der Berechnung eines Liquidationswerts) auch betriebswirtschaftlich sachgerecht ist, wirft die Berücksichtigung latenter Ertragsteuern bei der Berechnung eines Fortführungswerts konzeptionelle Fragen auf. Sofern der Veräußerungsfiktion der Rechtsprechung gefolgt wird und latente Ertragsteuern wertmindernd berücksichtigt werden, sollten jedoch konsequenterweise auch die – mit der Veräußerungsfiktion einhergehenden – Effekte auf der Erwerberseite erfasst werden.
Rz. 150
Die derzeitige Rechtsprechung des BGH stellt bislang ausschließlich auf die Perspektive des Veräußerers ab. Im Hinblick auf eine konsequente Umsetzung der Veräußerungsfiktion sieht der IDW S 13 in diesem Zusammenhang nunmehr den Ansatz eines abschreibungsbedingten Steuervorteils (tax amortisation benefit) vor. Hintergrund eines solchen Ansatzes ist die Überlegung, dass eine (fiktive) Veräußerung nicht nur zu einer Aufdeckung der stillen Reserven beim Veräußerer, sondern ebenfalls zu erhöhten Anschaffungskosten beim Erwerber führen kann. Sofern eine gänzliche oder auch teilweise Zuordnung dieser Anschaffungskosten auf steuerrechtlich abschreibungsfähige Vermögensgegenstände möglich ist, führt deren spätere Abschreibung zu einer Reduzierung der steuerlichen Bemessungsgrundlage und somit zu einer zukünftigen Steuerersparnis für den Erwerber. Diese abschreibungsbedingten Steuervorteile ließen sich durch jeden potentiellen Erwerber realisieren. Da die Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswertes regelmäßig keine Folgen der Veräußerung berücksichtigt, ist ein solcher tax amortisation benefit (TAB) im ermittelten Fortführungswert grundsätzlich noch nicht erfasst. Ein Erwerber würde diesen jedoch entsprechend werterhöhend einpreisen.
Rz. 151
Insgesamt stellt die Berücksichtigung eines möglichen abschreibungsbedingten Steuervorteils beim Erwerber einen notwendigen kompensatorischen Effekt bei der Berechnung des Zugewinnausgleichsanspruchs dar, zumal dieser in Fortführungswerten grundsätzlich noch nicht berücksichtigt sein kann, da eben definitionsgemäß nicht von einer Veräußerung ausgegangen wird. Die unterstellte Veräußerungsfiktion muss daher, sofern sich ein zusätzliches Abschreibungspotential aufseiten des Erwerbers ergibt, auch zur Berücksichtigung eines TAB führen.