Benjamin Ballhorn, Jan König
A. Grundsätzliche Vorüberlegungen
I. Einleitung
Rz. 1
Wer in Betracht zieht, ein Unternehmen oder Unternehmensanteile zu erwerben, wird sich grundsätzlich mit der Frage befassen, welchen Preis er höchstens zahlen darf, um keinen Nachteil zu erleiden. Ziel der Unternehmensbewertung ist es daher, potenzielle Preise für ganze Unternehmen oder Unternehmensteile zu ermitteln. Unternehmensbewertungen dienen jedoch nicht nur der Vorbereitung von Transaktionen, sondern können auch zu einem "Rechtsproblem" werden, wenn die Ermittlung von Unternehmenswerten rechtlich notwendig ist. Die Rechtsordnung beinhaltet indes zahlreiche Anlässe, die eine Unternehmensbewertung erfordern. Hierzu gehören u.a. gesellschaftsrechtliche, steuerrechtliche oder familien- und erbrechtliche Bewertungsanlässe. In den rechtlichen Normen finden sich in der Regel keine Ausführungen zu der anzuwendenden Bewertungsmethode. Hieraus ergibt sich die Forderung, Unternehmenswerte nach betriebswirtschaftlich anerkannten Methoden zu schätzen. Unternehmensbewertungen für rechtliche Bewertungsanlässe werden regelmäßig unter Beachtung der im Standard IDW S 1 des Instituts der Wirtschaftsprüfer enthaltenen "Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen" durchgeführt.
Rz. 2
Zur Ermittlung von Unternehmenswerten haben sich in Theorie, Rechtsprechung und Praxis insbesondere das Ertragswertverfahren und die Discounted-Cash-Flow-(DCF)-Methoden durchgesetzt. Nach diesen Verfahren bestimmt sich der Wert eines Unternehmens, indem die künftigen bewertungsrelevanten finanziellen Überschüsse des Unternehmens (im Zähler) mit der besten alternativen Handlungsmöglichkeit (im Nenner) auf den Bewertungsstichtag diskontiert werden. Gemäß der Überlegung "bewerten heißt vergleichen", bestimmt sich der Wert eines Unternehmens somit aus dem Vergleich mit der bestmöglichen Handlungsalternative.
II. Bedeutung und formaler Rahmen des IDW S 1
Rz. 3
Der IDW S 1 legt den Grundrahmen fest, nach dem Wirtschaftsprüfer, unbeschadet ihrer Eigenverantwortlichkeit, Unternehmen bewerten. Dabei ist jedoch anzumerken, dass der Standard nur allgemeine Grundsätze darstellen kann, der konkrete Bewertungsfall gleichwohl eine individuelle Problemlösung erfordert. Die Bedeutung des IDW S 1 beruht indes weder auf gesetzlichen Regelungen noch auf Vorgaben der öffentlichen Verwaltung. Vielmehr handelt es sich um Grundsätze, die auch über den Berufskreis der Wirtschaftsprüfer hinaus Akzeptanz gefunden haben und als gerichtsfest und allgemein anerkannt gelten.
III. Zentrale Anforderungen an eine Unternehmensbewertung
Rz. 4
Der Wert eines Gutes ist eine subjektive Eigenschaft. Daher wird der Wert eines Unternehmens von dem subjektiven Nutzen bestimmt, den seine Eigentümer aus ihm ziehen können. Dieser Nutzen bemisst sich in erster Linie an den monetären Mitteln, die aus dem Unternehmen "herausholbar" sind. Eine Unternehmensbewertung erfolgt somit immer aus der Sicht desjenigen, für den die Bewertung durchgeführt wird (dem sog. Bewertungssubjekt) und dessen Nutzungsmöglichkeit. Da das Herausholbare (der Nutzen) hauptsächlich in den zukünftig erwarteten Überschüssen besteht, bestimmt sich der Wert eines Unternehmens, unter der Voraussetzung ausschließlich finanzieller Ziele, somit durch den Barwert der mit dem Eigentum an dem Unternehmen verbundenen Nettozuflüsse.
Rz. 5
Regelmäßig ist das Bewertungssubjekt bekannt und dessen Sicht entscheidungsrelevant (bspw. bei freien Kauf-/Desinvestitionsentscheidungen). In diesen Fällen können sowohl in den erwarteten Zahlungsströmen als auch in den Renditeforderungen die Erwartungen des konkreten Bewertungssubjekts einfließen. Bei der Ermittlung eines subjektiven Wertes kann somit angegeben werden, was – unter Berücksichtigung der vorhandenen individuellen Möglichkeiten und Planungen – ein bestimmter Erwerber für ein Unternehmen höchstens anlegen darf (Preisobergrenze) oder ein Verkäufer mindestens verlangen muss (Preisuntergrenze), um seine ökonomische Situation durch die Transaktion nicht zu verschlechtern.
Rz. 6
Im Rahmen der meisten rechtlichen Bewertungsanlässe ist eine individuelle Betrachtung jedoch nicht gewollt, da solche subjektiven Elemente im Streitfall nur schwer nachprüfbar sind. In diesen Fällen ist es erforderlich, individuelle Einschätzungen durch nachvollziehbare Typisierungen zu ersetzen. Ergebnis dieser Typisierungen ist der sog. objektivierte Wert. Der objektivierte Unternehmenswert stellt einen intersubjektiv nachprüfbaren Zukunftserfolgswert aus Sicht eines typisierten Anteilseigners dar. Rein verkäufer- oder käuferorientierte subjektive Wert- und Nutzenvorstellungen finden hier keinen Eingang.
Rz. 7
Die zentralen Anf...