Dr. Konrad Osthold, Désirée Goertz
Rz. 42
Soweit Unterhaltspflichten über den Tod hinaus bestehen, kann man sie als Nachlassverbindlichkeit qualifizieren, denn sie sind immer bereits zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers begründet.
a) Grundsatz §§ 1615 Abs. 1, 1360a Abs. 3 BGB
Rz. 43
Grundsätzlich erlöschen Unterhaltspflichten mit dem Tod des Unterhaltsverpflichteten, §§ 1615 Abs. 1, 1360a Abs. 3 BGB. Ausnahmen bestehen nach § 1615 Abs. 1 BGB: Der Unterhaltsanspruch erlischt nicht, soweit Schadensersatz wegen Nichterfüllung für die Vergangenheit oder im Voraus zu bewirkenden Leistungen, die zur Zeit des Todes des Verpflichteten fällig sind, gefordert wird.
b) § 1586b BGB – Unterhalt des geschiedenen Ehegatten
Rz. 44
Nach § 1586b BGB erlischt der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten mit dem Tode des Verpflichteten nicht, sondern geht auf dessen Erben über. Nach § 1586b Abs. 1 S. 3 BGB ist die Haftung auf den Betrag begrenzt, der dem fiktiven Pflichtteil des Unterhaltsberechtigten entspricht. Bei der Ermittlung der Quote dieses fiktiven Pflichtteilsanspruches sind nach § 1586b Abs. 2 BGB Besonderheiten des Güterstandes nicht zu berücksichtigen. Das bedeutet vor allem, dass eine Erhöhung des Ehegattenerbteils bei Zugewinngemeinschaft nach §§ 1931 Abs. 3, 1371 Abs. 1 BGB nicht vorgenommen wird, maßgeblich ist allein die Quote nach § 1931 Abs. 1 und Abs. 2 BGB. Da der Zugewinnausgleich im Rahmen der Scheidung bereits berücksichtigt wird, ist dies folgerichtig.
Rz. 45
In diesen fiktiven Pflichtteilsanspruch sind nach der Rechtsprechung des BGH auch Pflichtteilsergänzungsansprüche einzubeziehen. Für den Erblasser und auch seine Erben eine unschöne Vorstellung. Denn hat der Erblasser bspw. erneut geheiratet und erbt nunmehr u.a. seine zweite Ehefrau, kann sich diese als Miterbin seitens der ersten Ehefrau mit umfangreichen Auskunftsbegehren bezüglich lebzeitiger Schenkungen des Erblassers konfrontiert sehen. Die erste Ehefrau wird vermutlich Auskunft über sämtliche Schenkungen des Erblassers an die zweite Ehefrau verlangen, um so ihren Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB berechnen zu können.
Rz. 46
Dennoch ist die Entscheidung aus dem Jahr 2001 nicht so zu verstehen, dass das gesamte Pflichtteilsrecht in § 1586b BGB "hineinzulesen" wäre. Grundsätzlich steht dem Erben gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten die Möglichkeit des § 2328 BGB offen: Die Erfüllung des Pflichtteilsanspruches kann insoweit abgelehnt werden, als der eigene fiktive Pflichtteilsanspruch berührt würde. Diesen Einwand können die Erben gegenüber dem Unterhaltsberechtigten mit dem Anspruch aus § 1586b BGB laut BGH jedoch nicht erheben. Diese Vorschrift regele das Konkurrenzverhältnis von Pflichtteilsberechtigten untereinander – der Inhaber des Anspruchs aus § 1586b BGB sei aber Nachlassgläubiger und nicht Pflichtteilsberechtigter. Als bloßem Nachlassgläubiger ist ihm auch der Anspruch aus § 2329 BGB verwehrt.
Rz. 47
Im Jahr 2004 hat der BGH zudem entschieden, dass es sich beim Anspruch aus § 1586b BGB nicht um einen Anspruch mit anderer Rechtsnatur handelt als den aus den §§ 1569 ff. BGB. Demnach ist eine neue Klage des Unterhaltsberechtigten gegen die Erben zur Erlangung eines Titels unnötig: Es genügt die Umschreibung des vorhandenen Titels nach § 120 FamFG i.V.m. § 727 ZPO.
Rz. 48
Außerdem hat der BGH für eine Klage eines Erben wegen Erreichens der Haftungsgrenze die Abänderungsklage [Abänderungsantrag] für zulässig erklärt. Da der BGH Ansprüche aus § 1586b BGB und §§ 1569 ff. BGB als Ansprüche derselben Rechtsnatur qualifiziert hat, ist dies auch schlüssig. Einem Vollstreckungsgegenantrag scheint sich der BGH jedoch auch nicht zu verschließen. Begehrt der Unterhaltsberechtigte eine Anpassung des Titels an veränderte Umstände (in der Regel dann erhöhte Unterhaltssätze) ist der Abänderungsantrag zu stellen. Hierdurch wird jedoch nicht die Haftungshöchstsumme verändert: Es verbleibt bei der Höchstsumme in Höhe des fiktiven Pflichtteilsanspruches.
Rz. 49
Hat der Erblasser mit dem Unterhaltsberechtigten eine Vereinbarung über den Unterhalt getroffen, stellt sich die Frage, ob auch diese Vereinbarung auf die Erben übergeht. Unselbstständige Unterhaltsvereinbarungen, d.h. solche, die den gesetzlichen Unterhaltsanspruch nur ausgestalten, binden die Erben. Selbstständige Unterhaltsvereinbarungen hingegen sind dahingehend auszulegen, ob ein Übergang auf die Erben gewollt ist.
Rz. 50
Umstritten ist, ob die Pflicht des Erben zur Unterhaltszahlung besteht, wenn der Unterhaltsberechtigte auf sein Pflichtteilsrecht (§ 2346 BGB) verzichtet hat. Eine Auffassung stellt auf Sinn und Zweck der Norm ab: § 1586b BGB soll einen Ausgleich für die durch die Scheidung verlorene Partizipation am Erbe darstellen. Damit fällt bei einem Pflichtteilsverzicht sinngemäß auch der Anspruch aus § 1586b BGB weg. Die Vertreter der anderen Auffassung stellen darauf ab, dass § 1586b BGB unterhaltsrechtlicher Natur ist und ein Pflichtteilsverzicht darauf dementsprechen...