Dr. Konrad Osthold, Désirée Goertz
Rz. 90
Gemäß § 1975 BGB beschränkt sich die Haftung aller Miterben für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass, wenn Nachlassverwaltung (oder Nachlassinsolvenz) angeordnet wurde. Die Nachlassverwaltung kann von den Erben nur gemeinschaftlich und nur vor der Teilung des Nachlasses beantragt werden, § 2062 BGB.
aa) Überblick
Rz. 91
Die Nachlassverwaltung ist für Konstellationen vorgesehen, in denen eine Überschuldung oder eine Zahlungsunfähigkeit noch nicht feststeht bzw. nicht davon ausgegangen werden muss. Sie ist das nach der Vorstellung des Gesetzgebers zentrale Haftungsbeschränkungsmittel für "Solvenzfälle", und zwar sowohl für den Erben als auch für Nachlassgläubiger. Zweck ist also die Separation des Nachlasses vom Eigenvermögen des Erben – aus Sicht der Gläubiger, um ihn vor dem Zugriff des Erben und dessen Gläubigern zu schützen, aus Sicht des Erben zum Schutz seines Eigenvermögens vor Nachlassgläubigern. Die Nachlassverwaltung kann das Vorstadium der Nachlassinsolvenz sein, wenn sich später herausstellt, dass der Nachlass notleidend ist, der Nachlassverwalter hätte einen entsprechenden Antrag zu stellen, § 1985 Abs. 2 S. 2 BGB. Um eine Ablehnung des Antrages wegen mangelnder Masse zu vermeiden (§ 1982 BGB), rät Rott einen die Kosten der Nachlassverwaltung deckenden Vorschuss einzuzahlen, da die Eröffnung dann analog § 26 Abs. InsO nicht abgelehnt werden könne. Entgegen seiner Konzeption als zentrales Mittel der Haftungsbeschränkung hat die Nachlassverwaltung eine sehr geringe Praxisrelevanz.
Rz. 92
Das Gesetz gestaltet die Nachlassverwaltung in § 1975 BGB als eine Form der Pflegschaft zur Befriedigung der Nachlassgläubiger. Das entsprechende Recht – jetzt § 1888 BGB mit Verweis auf das Betreuungsrecht – ist dann anzuwenden, wenn dies dem Zweck des Verfahrens nicht entgegensteht bzw. nichts anderes ausdrücklich geregelt ist.
Rz. 93
Da die Einleitung dieser Verfahren nach § 1983 BGB bekannt gemacht werden muss, werden einige Erben möglicherweise davor zurückschrecken, das Verfahren einzuleiten. Schließlich könnte so nach dem Tode des Erblassers der Eindruck entstehen, dass es um dessen Finanzen schlecht bestellt sei oder aber der Erbe selbst finanzielle Probleme habe. Reizvoll ist allerdings, dass die Haftungsbeschränkung durch Nachlassverwaltung allen Gläubigern entgegengehalten werden kann.
Rz. 94
Wird das Verfahren während eines laufenden Prozesses eingeleitet, wird er unterbrochen (§ 241 Abs. 3 ZPO, § 1984 Abs. 1 S. 3 BGB), § 246 ZPO ist jedoch zu berücksichtigen (bestellter Prozessbevollmächtigter).
Rz. 95
Ist Nachlassverwaltung angeordnet, ist den Erben gem. § 1984 Abs. 1 BGB, §§ 81, 82 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über den Nachlass entzogen: Sämtliche Entscheidungen werden in die Hände des Verwalters gelegt. Auch die Gläubiger müssen sich an den Verwalter wenden, § 1984 Abs. 1 S. 3 BGB. Jedem Miterben steht jedoch weiterhin die Möglichkeit offen, über den eigenen Erbanteil zu verfügen. Der Verwalter muss den Nachlass darüber hinaus in Besitz nehmen.
bb) Zuständiges Gericht
Rz. 96
Die Zuständigkeit des Gerichts richtet sich nach §§ 1962, 1981 BGB, § 23a Abs. 2 Nr. 2 GVG, § 343 FamFG; zuständig ist das Nachlassgericht im Bezirk des letzten gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Erblassers. Funktionell zuständig ist grundsätzlich der Rechtspfleger, §§ 3 Nr. 2c, 16 Abs. 1 Nr. 1, 14 RPflG.
cc) Antragsberechtigung und Voraussetzungen
Rz. 97
Die Anordnung der Nachlassverwaltung erfolgt gem. § 1981 BGB auf Antrag. Möglich ist ein Antrag durch Erben (§ 1981 Abs. 1 BGB), aber auch durch Nachlassgläubiger (§ 1981 Abs. 2 BGB). Antragsberechtigt sind außerdem entsprechend § 317 InsO der Testamentsvollstrecker und gem. § 2383 BGB der Erbschaftskäufer. Der Nachlasspfleger ist nicht antragsberechtigt. Der Nacherbe ist nach Eintritt des Nacherbfalles antragsberechtigt.