Dr. Konrad Osthold, Désirée Goertz
Rz. 111
Das Nachlassinsolvenzverfahren kann gem. § 320 S. 1 InsO durchgeführt werden bei
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Zahlungsunfähigkeit |
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Überschuldung sowie bei |
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Antragstellung durch Erbe, Nachlasspfleger (auch Nachlassverwalter) oder Testamentsvollstrecker auch bei lediglich drohender Zahlungsunfähigkeit, § 320 S. 2 InsO. |
Rz. 112
Der Erbe ist als Träger der Nachlassaktiva Schuldner der -Verbindlichkeiten und Adressat sämtlicher aus dem Verfahren entspringender Pflichten.
Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis geht nach § 80 InsO auf den Insolvenzverwalter über.
Eine etwa bestehende Nachlassverwaltung endet gem. § 1988 Abs. 1 BGB mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Eine Nachlasspflegschaft wird nicht automatisch beendet. Auch eine Testamentsvollstreckung bleibt bestehen, unterliegt aber Beschränkungen, da die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beim Insolvenzverwalter liegt. Der Insolvenzverwalter hat insoweit die Stellung des von der Testamentsvollstreckung betroffenen Erben, als die Verfügungsbeschränkung nach § 2211 BGB auch für ihn gilt und er den Nachlass daher nicht verwerten kann.
Das Insolvenzverfahren kann sich zudem zur Auseinandersetzung streitiger Erbengemeinschaften und der Regelung von Pflichtteilsansprüchen eignen.
Rz. 113
Ein laufender Prozess wird unterbrochen, wenn ein Insolvenzverfahren eingeleitet wird, §§ 240, 241 Abs. 3 ZPO, § 1984 Abs. 1 S. 3 BGB. Die Prozessführungsbefugnis geht gem. § 1984 Abs. 1 S. 1, 3 BGB, § 80 Abs. 1 InsO auf ihn über.
Rz. 114
War bereits zu Lebzeiten des Erblassers ein Insolvenzverfahren über dessen Vermögen eröffnet, wird es grundsätzlich in der Form der Nachlassinsolvenz fortgeführt.
aa) Zuständiges Gericht
Rz. 115
Zuständiges Gericht ist ausschließlich das Amtsgericht als Insolvenzgericht am allgemeinen Gerichtsstand des Erblassers, § 315 InsO. Eine Ausnahme gilt nach § 315 S. 2 InsO für den Fall, dass der Mittelpunkt der selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Erblassers an einem anderen Ort lag (ausschließlicher Gerichtsstand). Die Zuständigkeit nach § 315 InsO und die Zuständigkeit für Nachlasssachen nach § 343 FamFG können also auseinanderfallen.
bb) Antragsberechtigung und -form
Rz. 116
Antragsberechtigt sind nach § 317 Abs. 1 InsO Erben, Nachlasspfleger, Nachlassverwalter, Nachlassgläubiger und Testamentsvollstrecker.
Jeder Miterbe ist zur Beantragung der Nachlassinsolvenz nach § 1980 Abs. 1 S. 1 BGB verpflichtet, sobald er von der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung des Nachlasses Kenntnis erlangt hat. Die Antragstellung hat unverzüglich (§ 121 BGB) zu erfolgen. Anderenfalls schulden die Erben den Nachlassgläubigern Schadensersatz nach § 1980 Abs. 1 S. 2 BGB. Gleiches gilt nach § 1985 Abs. 2 BGB für den Nachlassverwalter. Anders ist dies für den Nachlasspfleger und den verwaltenden Testamentsvollstrecker – ihnen steht lediglich das Recht nach § 317 InsO zu, allerdings besteht keine Pflicht den Gläubigern gegenüber. Ggf. haften sie jedoch den Erben.
Rz. 117
Vor Annahme der Erbschaft besteht keine Antragspflicht des Erben. Hat der Erbe die Erbschaft angenommen, besteht eine Antragspflicht nach Ansicht des BGH auch dann, wenn um sein Erbrecht gestritten wird. Gleichzeitig führt das Gericht aber aus, dass dieser Erbe dem Insolvenzgericht wie ein bloßer Erbprätendent erscheinen kann, weswegen er "kaum in der Lage sein [dürfte], ein Insolvenzverfahren in Gang zu setzen, weil es nicht Aufgabe des Insolvenzgerichts ist, die Erbenstellung zu klären." Auch Kommentierungen, die die Pflicht zur Antragstellung nur dem endgültigen Erben aufbürden, helfen nicht weiter, da es zum Zeitpunkt der notwendigen Antragstellung gerade nicht klar ist, wer das nun ist.
Scheinbar entlässt der BGH den Erben wieder aus der Pflicht, wenn das Insolvenzgericht den Antrag mangels Antragsbefugnis wegen der bestrittenen Erbenstellung zurückweisen würde. Aber muss der Erbe diesen Antrag tatsächlich stellen, um mit der Zurückweisung sicher der Haftung entgehen zu können? Als Berater wird man sicherheitshalber wohl zu diesem Schritt raten müssen. Das Insolvenzgericht sähe sich sodann Anträgen aller...