Dr. Konrad Osthold, Désirée Goertz
Rz. 132
Gemäß § 1970 BGB können die Erben ein Aufgebotsverfahren bezüglich möglicher Nachlassgläubiger durchführen. Es dient seiner Konzeption nach in erster Linie der Ermittlung von Nachlassverbindlichkeiten, was dem Erben eine Entscheidung über die Ergreifung (weiterer) Maßnahmen zur Beschränkung seiner Haftung ermöglichen soll. Das Aufgebotsverfahren hat zudem zur Folge, dass diejenigen Gläubiger, die durch das Aufgebotsverfahren zur Anmeldung ihrer Forderungen aufgefordert wurden und sich nicht gemeldet haben, gem. § 1973 BGB ausgeschlossen werden. Das bedeutet, dass die Forderungen der ausgeschlossenen Gläubiger nur noch aus dem Nachlass, bzw. dem, was davon übrig ist, beglichen werden müssen. Ist der Nachlass unzureichend, gehen diese Gläubiger leer aus. Damit kann das Aufgebotsverfahren eine relative, d.h. bzgl. einzelner Gläubiger haftungsbeschränkende Wirkung entfalten, wenngleich es kein Mittel der Haftungsbeschränkung im eigentlichen Sinne ist.
Rz. 133
Ist die Forderung nicht im Ausschließungsbeschluss aufgeführt, führt dies nicht zum Erlöschen der Forderung. Andererseits besagt die Aufnahme einer Forderung in den Ausschließungsbeschluss nichts über das Bestehen der Forderung, da es nicht Aufgabe des Gerichts im Aufgebotsverfahren ist, dies zu prüfen. Im Nachlassinsolvenzverfahren werden die Forderungen der ausgeschlossenen Gläubiger nachrangig bedient, § 327 Abs. 3 InsO.
Rz. 134
Für die Dauer des Aufgebotsverfahrens steht den Erben außerdem die Einrede des Aufgebotsverfahrens nach § 2015 BGB zu, sofern der Antrag innerhalb eines Jahres nach der Annahme der Erbschaft gestellt und zugelassen wurde. Die Zulassung des Antrages muss nicht binnen Jahresfrist erfolgen.
Rz. 135
Miterben können den Aufschub der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft bis zur Beendigung des Aufgebotsverfahrens verlangen, § 2045 BGB.
Rz. 136
Die verfahrensrechtlichen Vorgaben für das Aufgebotsverfahren befinden sich in §§ 433 ff. FamFG und speziell in §§ 454 ff. FamFG. Die Aufforderung an die Gläubiger erfolgt durch öffentliche Bekanntmachung, § 435 FamFG.
In der Praxis wird das Aufgebot trotz seiner Vorteile selten beantragt.
aa) Drohende Haftung
Rz. 137
Um der Haftung nach § 1980 BGB zu entgehen, besteht für die Erben ein erheblicher Anreiz, das Aufgebotsverfahren durchzuführen. § 1980 Abs. 2 S. 1 BGB stellt die fahrlässige Unkenntnis der Kenntnis von Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung gleich. Dabei setzt § 1980 Abs. 2 S. 2 BGB fest, dass es insbesondere dann als fahrlässig zu bewerten ist, wenn das Aufgebotsverfahren nicht eingeleitet wurde, obwohl Grund zur Annahme bestand, dass unbekannte Nachlassverbindlichkeiten bestehen. Vorsichtshalber ist also das Aufgebotsverfahren durchzuführen. Der beratende Rechtsanwalt sollte zur Vermeidung seiner Haftung vor allem auch im Hinblick auf das Haftungsprivileg für Miterben in § 2060 Nr. 1 BGB auf das Aufgebotsverfahren hinweisen.
bb) Zuständiges Gericht
Rz. 138
Zuständiges Gericht für die Antragstellung ist das Amtsgericht des für den Erbfall zuständigen Nachlassgerichtes (§ 23a Abs. 2 Nr. 7 GVG; § 454 Abs. 2 FamFG). Ob aber das Nachlassgericht zuständig ist, ist dem Gesetzestext nicht eindeutig zu entnehmen. Teilweise wird das Nachlassgericht, teilweise die Zivilabteilung für zuständig gehalten. Auch nach hier vertretener Ansicht spricht der Wortlaut von § 454 Abs. 2 FamFG für die Zivilabteilung.
cc) Antragserfordernis und -berechtigung
Rz. 139
Erforderlich ist ein Antrag, § 434 Abs. 1 FamFG. Diesem ist eine Liste der bekannten Gläubiger beizufügen, § 456 FamFG. Das Gericht kann verlangen, dass diese Angaben eidesstattlich versichert werden, § 439 Abs. 1 FamFG.
Rz. 140
Antragsberechtigt ist gem. § 455 Abs. 1 FamFG jeder Miterbe für sich. Der Antrag eines Miterben kommt allen anderen Miterben zustatten, § 460 Abs. 1 FamFG. Haftet der beantragende Miterbe bereits unbeschränkt, so kann er entgegen § 455 FamFG einen Antrag nach § 460 Abs. 2 Fa...