Dr. Konrad Osthold, Désirée Goertz
I. Gründe für die gesamtschuldnerische Haftung
Rz. 58
Die Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung hat u.a. ihren Grund darin, dass die Nachlassgläubiger durch den Tod ihres Schuldners nicht benachteiligt werden sollen. Die Gläubiger sollen sich weiterhin zur Begleichung ihrer Forderungen nur an eine Person halten können. Der auf den einzelnen Miterben entfallende Haftungsanteil hat daher vor allem Bedeutung für das Innenverhältnis, nach außen haftet aber jeder Miterbe grundsätzlich für die ganze Schuld, §§ 2058, 421 BGB.
In gewisser Weise wird der Nachlassgläubiger sogar günstiger gestellt, als er es zu Lebzeiten des Erblassers war. Aufgrund der Personenmehrheit hat er nun die Wahl, welche in der Regel auf die solventeste Person fallen wird. Allerdings ist nicht immer einer der Erben tatsächlich solventer als es der Erblasser war. Dieses Restrisiko ist dem Nachlassgläubiger aber zuzumuten. Zusätzlich verbleibt außerdem noch der Nachlass als Haftungsmasse.
Die gesamtschuldnerische Haftung besteht außerdem über die Teilung des Nachlasses hinaus, um dadurch die Erben anzuhalten, die Nachlassverbindlichkeiten möglichst noch aus dem ungeteilten Nachlass zu befriedigen. Geschieht dies nicht, ist die gesamtschuldnerische Haftung gerechtfertigt. Werden die Nachlassverbindlichkeiten restlos getilgt, stellt sich das Problem der Haftung nach der Teilung nicht.
II. Überblick
Rz. 59
Nach der Annahme der Erbschaft haften die Erben für die Nachlassverbindlichkeiten sowohl mit ihrem Eigenvermögen als auch mit dem Nachlass und zwar grundsätzlich unbeschränkt, aber beschränkbar. Das Gesetz unterscheidet für die Haftung nach Annahme der Erbschaft zwischen der Situation vor und nach der Teilung des Nachlasses. Unabhängig vom Zeitpunkt gilt aber § 2058 BGB, d.h. die Erben haften für die gemeinschaftlichen Nachlassverbindlichkeiten sowohl vor als auch nach der Teilung des Nachlasses als Gesamtschuldner.
Rz. 60
Vor der Teilung des Nachlasses können die Erben Haftungsbeschränkungsmaßnahmen nach Maßgabe der §§ 1967 ff. BGB durchführen. Diese allgemeinen Haftungsbeschränkungsmöglichkeiten sind ergänzt um § 2059 Abs. 1 BGB. § 2059 Abs. 2 BGB eröffnet den Nachlassgläubigern aber die Möglichkeit, auch schon vor der Teilung auf den Nachlass selbst zuzugreifen.
Rz. 61
Nach der Teilung des Nachlasses können noch einige Haftungsbeschränkungsmaßnahmen der §§ 1967 ff. BGB ergriffen werden, bzw. diejenigen, die vor der Teilung vorgenommen wurden, wirken fort. Um die gesamtschuldnerische Haftung für Erben, die sich ernsthaft um die Begleichung aller Nachlassverbindlichkeiten bemüht haben, abzuschwächen, können sich die Erben nach §§ 2060, 2061 BGB auf eine anteilige Haftung für bestimmte Nachlassverbindlichkeiten berufen.
III. Gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeiten
Rz. 62
§ 2058 BGB bestimmt ausdrücklich, dass die gesamtschuldnerische Haftung für gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeiten gilt. Zusätzlich zur Feststellung, ob eine Nachlassverbindlichkeit vorliegt, bedarf es also noch der Prüfung, ob diese auch gemeinschaftlich ist.
1. Begriff
Rz. 63
Mit gemeinschaftlichen Nachlassverbindlichkeiten sind diejenigen Verbindlichkeiten gemeint, für die alle Miterben im Verhältnis zum Nachlassgläubiger haften, was grundsätzlich der Fall ist. Dies sind u.a. die vom Erblasser herrührenden Schulden (Erblasserschulden). Auch Erbfallschulden sind i.d.R. gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeiten, bspw. ein alle Erben belastendes Vermächtnis oder Pflichtteilsansprüche. Darunter fällt auch die Gebühr eines Testamentsvollstreckers sowie eines Nachlasspflegers, der nur für einen Miterben(anteil) eingesetzt war. Sofern der Erblasser die Belastung nur eines Erben/Erbteils mit einer Verbindlichkeit anordnet, liegt keine gemeinschaftliche, sondern eine Erbteilsschuld vor.
2. Abgrenzung zur Erbteilsschuld
Rz. 64
Keine gemeinschaftlichen Nachlassverbindlichkeiten sind solche, die nur einzelne oder nicht alle Miterben belasten – sog. Erbteilsschulden. Belastet die Erbteilsschuld mehrere Mitglieder der Erbengemeinschaft, kommt eine entsprechende Anwendung des § 2058 BGB bezüglich dieser Gruppe von Erben in Betracht – für diese liegt dann eine gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeit vor. Erforderlich ist, dass alle aus demselben Grund haften.
Beispiel
A, B und C sind Erben zu je ⅓-Anteil aufgrund eines Testaments des Erblassers. In diesem Testament hat er A mit einem Vermächtnis belastet. Er soll aus seinem Erbteil 5.000 EUR an D zahlen. B soll ein Vermächtnis in Höhe von 3.000 EUR an D zahlen.
D muss sich mit seinen Ansprüchen in Höhe von 5.000 EUR an A und in Höhe von 3.000 EUR an B halten. Da es sich um zwei Erbteilsschulden handelt, die nicht in demselben rechtlichen Grund wurzeln, sind A und B nicht Gesamtschuldner nach § 2058 BGB.
Rz. 6...