Rz. 209
Das Inventar ist ein Verzeichnis des Nachlasses. Ein Inventar kann jeder der Erben jederzeit errichten, § 1993 BGB. Da keine Haftungsbeschränkung durch die Inventarerrichtung erreicht wird, werden die Erben den Aufwand und die Kosten häufig scheuen. Zur Inventarerrichtung "gezwungen" werden sie praktisch allerdings durch einen entsprechenden Antrag eines Nachlassgläubigers. Auf Antrag eines Nachlassgläubigers setzt das Nachlassgericht den Erben eine Frist zur Errichtung des Inventars, § 1994 Abs. 1 S. 1 BGB. Diese Frist ist für jeden der Miterben zu bestimmen, also auch gesondert zu berechnen und kann daher zu unterschiedlichen Zeitpunkten enden. Aus dieser Aufforderung entsteht dann zwar keine Pflicht des Erben das Inventar zu errichten und ist entsprechend auch nicht einklagbar. Dennoch hat es Folgen, wenn der Erbe der Aufforderung nicht nachkommt. Er haftet in der Regel unbeschränkt, allerdings tritt diese Folge immer nur für den betroffenen Miterben ein.
Rz. 210
In den folgenden Fällen tritt eine unbeschränkte Haftung ein:
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Das Inventar wird nicht innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist errichtet, § 1994 Abs. 1 S. 2 BGB, auch wenn zuvor ein Nachlassinsolvenzverfahren mangels Masse abgelehnt wurde. |
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Es wird absichtlich ein unvollständiges Inventar errichtet, das erhebliche Lücken aufweist, § 2005 Abs. 1 Alt. 1 BGB. |
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Nicht bestehende Nachlassverbindlichkeiten werden zur Benachteiligung vorhandener Nachlassgläubiger aufgeführt. |
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Der Erbe beantragt die amtliche Aufnahme des Inventars nach § 2003 BGB und verletzt die ihm obliegende Auskunftspflicht nach § 2003 Abs. 2 BGB durch Auskunftsverweigerung oder -verzögerung, § 2005 Abs. 1 S. 2 BGB. |
Rz. 211
Eine unbeschränkte Haftung nur gegenüber bestimmten Gläubigern entsteht in folgenden Fällen:
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Es wird die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 2006 Abs. 1 BGB verweigert. Dann haftet der Erbe dem Gläubiger, der den Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gestellt hat, unbeschränkt, § 2006 Abs. 3 S. 1 BGB. |
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Diese unbeschränkte Haftung dem beantragenden Gläubiger gegenüber besteht gem. § 2006 Abs. 3 S. 2 BGB auch dann, wenn der Erbe grundlos nicht zum Termin erscheint. |
Hält ein Miterbe mehrere Erbteile, so ist nach § 2007 S. 1 BGB jeder Erbteil haftungsrechtlich getrennt von den anderen zu betrachten. Es kann also bei einem Erben gleichzeitig zu unterschiedlichen Haftungssituationen kommen.
Rz. 212
Für die Erben ist vorteilhaft, dass gem. § 2009 BGB bei rechtzeitiger Errichtung vermutet wird, dass nur die angegebenen Nachlassgegenstände vorhanden sind. Erhebt er bspw. die Dürftigkeitseinrede nach § 1990 BGB, muss dann zur Befriedigung der Nachlassgläubiger nur der im Inventar verzeichnete Nachlass herausgegeben werden. Allerdings erstreckt sich die Vermutung nicht auf die dort angegebenen Werte. Zudem kommt das von einem Miterben errichtete Inventar gem. § 2063 Abs. 1 BGB allen Miterben zugute, auch ohne Bezugnahme nach § 2004 BGB. Dies gilt allerdings nur, soweit der jeweilige Miterbe noch nicht unbeschränkt haftet.
Rz. 213
Nachteilig ist allerdings, dass der Gläubiger danach genau weiß, wie sich der Nachlass zusammensetzt. Damit ist es ihm im Rahmen der Zwangsvollstreckung ohne weiteres möglich, Nachlassgegenstände als solche zu definieren und darauf zuzugreifen.
Ist das Inventar errichtet und eingereicht, darf es nach § 2010 BGB jeder einsehen, der ein berechtigtes Interesse hat – also insbesondere alle Nachlassgläubiger.
I. Voraussetzungen
Rz. 214
Das Inventar ist gem. § 2009 BGB "rechtzeitig" einzureichen – maßgeblich ist der Eingang bei Gericht. Wird die Inventarfrist nach § 1994 Abs. 1 BGB eingehalten, ist das Inventar rechtzeitig errichtet.
II. Verfahren
Rz. 215
Für den Antrag muss der Gläubiger seine Forderung glaubhaft machen, § 1994 Abs. 2 S. 1 BGB. Der Antrag muss an das Nachlassgericht gestellt werden. Einer Fristsetzung allen Erben gegenüber bedarf es nicht. Umstritten ist, ob auch diejenigen Gläubiger, die den Einreden der §§ 1973, 1974 BGB ausgesetzt sind, noch ein Antragsrecht haben. Ein Antragsrecht ist diesen Gläubigern zuzugestehen, denn die anderen nicht ausgeschlossenen Gläubiger können von dem Antrag profitieren und auch der von Einreden betroffene Gläubiger hat noch Ansprüche nach § 1973 Abs. 2 BGB. Auch Nachlasserbengläubiger haben ein Antragsrecht, da das Verfahren auch dazu dient, dem Nachlassgläubiger einen Überblick über die Gegenstände zu geben, in die er vollstrecken kann.
Wird der Erbe vom Gläubiger direkt aufgefordert, hat dies keine Auswirkungen.
Rz. 216
Die vom Nachlassgericht festzusetzende Frist beträgt nach § 1995 BG...