Dr. Konrad Osthold, Désirée Goertz
Rz. 256
Auch hinsichtlich der Zwangsvollstreckung ist sowohl nach der begehrten Vermögensmasse als auch nach dem Zeitpunkt der Vornahme der Vollstreckungsmaßnahme zu differenzieren
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Beginn der Vollstreckungshandlung noch vor dem Erbfall |
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Beginn der Vollstreckungshandlung vor Erbschaftsannahme |
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Beginn der Vollstreckungshandlung nach Erbschaftsannahme aber vor Teilung des Nachlasses |
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Beginn der Vollstreckungshandlung nach Erbschaftsannahme aber nach Teilung des Nachlasses. |
Rz. 257
Außerdem können sich Besonderheiten daraus ergeben, dass
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Testamentsvollstreckung besteht |
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ein Nachlassverwaltungs- oder Nachlassinsolvenzverfahren eingeleitet wurde |
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der Titel bereits zu Lebzeiten gegen den Erblasser ergangen war. |
Rz. 258
Übersicht: Vollstreckung in den Nachlass
I. Vor Annahme der Erbschaft
Rz. 259
Vor der Annahme der Erbschaft ist eine Zwangsvollstreckung wegen Nachlassverbindlichkeiten nur in den Nachlass selbst möglich. Gemäß § 778 Abs. 1 ZPO kann nicht in das Eigenvermögen der Erben, die die Erbschaft noch nicht angenommen haben, vollstreckt werden. Dies ist für jeden Erben getrennt zu beurteilen.
Soll dennoch die Zwangsvollstreckung betrieben werden, bedarf es ggf. der Bestellung eines Nachlasspflegers – für eine vor dem Erbfall begonnene Vollstreckung enthält § 779 ZPO eine Sonderregelung.
Rz. 260
Da der Anteil am Nachlass zum jeweiligen Eigenvermögen der Erben gehört, kann nach § 778 Abs. 1 ZPO auch nicht durch Nachlassgläubiger auf diesen zugegriffen werden. Andererseits ist gem. § 778 Abs. 2 ZPO eine Inanspruchnahme des Nachlasses durch Eigengläubiger der Erben vor der Erbschaftsannahme auch nicht möglich. Bis zur Annahme bleibt es für die Gläubiger demnach bei den ihnen ursprünglich zur Verfügung stehenden Vermögensmassen. Bezüglich des Anteils des jeweiligen Erben an der Erbengemeinschaft gilt: Dieser gehört ab dem Erbfall zum jeweiligen Eigenvermögen des Erben und damit kann in diesen durch Eigengläubiger bereits vor der Annahme vollstreckt werden. Nimmt der Erbe die Erbschaft dann nicht an, ist mit der Pfändung nichts erreicht.
Rz. 261
Wurde die Zwangsvollstreckung noch zu Lebzeiten des Erblassers begonnen, wird sie nach § 779 ZPO nicht durch den Erbfall unterbrochen oder gehindert. Eine Titelumschreibung ist ebenfalls nicht erforderlich. Ist aber die Mitwirkung der Erben notwendig und diese haben die Erbschaft noch nicht angenommen oder sind noch unbekannt, ist für sie nach § 779 Abs. 2 ZPO ein besonderer Vertreter zu bestellen. Verständlicherweise ist dies nach § 779 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht notwendig, wenn bereits Nachlasspflegschaft oder Testamentsvollstreckung besteht. Treten diese erst später in Erscheinung, ist die Tätigkeit des besonderen Vertreters nach überwiegender Ansicht ab diesem Zeitpunkt beendet. Dafür ist aber ein gesonderter Beschluss erforderlich.
Rz. 262
Hatte die Zwangsvollstreckung noch nicht zu Lebzeiten des Erblassers begonnen, ist zunächst ein vollstreckbarer Titel zu erwirken. Unter Umständen ist dieser nach § 727 ZPO umzuschreiben.
Rz. 263
Will sich der Erbe gegen unberechtigte oder unzulässige Vollstreckungsmaßnahmen wehren, steht ihm § 771 ZPO zur Verfügung. Nach überwiegender Auffassung steht ihm auch das Mittel der Erinnerung nach § 766 ZPO zur Verfügung.
II. Nach Annahme der Erbschaft
Rz. 264
Nach der Annahme der Erbschaft schützt § 778 ZPO nicht mehr. Es kann jetzt grundsätzlich in Nachlass und Eigenvermögen vollstreckt werden.
1. Zugriff auf den Nachlass (bis zur Teilung)
Rz. 265
Will man allerdings auf den ungeteilten Nachlass selbst zugreifen, ist dies nach § 747 ZPO nur mit Hilfe eines Titels zulässig, der sich gegen alle Erben der Erbengemeinschaft richtet. Der Anwendungsbereich des § 747 ZPO reicht bis zur Teilung des Nachlasses. Zwangsvollstreckungen, die noch zu Lebzeiten des Erblassers begonnen wurden, sind in § 779 ZPO geregelt. Zwangsvollstreckungen bei Bestehen einer unbeschränkten Testamentsvollstreckung richten sich nach § 748 ZPO.
Rz. 266
Für die Vollstreckung in den ungeteilten Nachlass müssen Titel gegen alle Erben vorliegen, jedoch nicht zwingend ein und derselbe. Zulässig sind auch Titel unterschiedlicher Art. Es genügen sowohl Titel aus Gesamthandsklagen als auch aus Gesamtschuldklagen. Ausreichend sind Urteile aus verschiedenen Prozessen, solange letz...