Rz. 263
Für Miterben, die das Recht zur Haftungsbeschränkung noch nicht verloren haben, oder bereits Maßnahmen ergriffen haben, stellt sich die Frage, wie sie sich bei der Zwangsvollstreckung vor einem Nachlassgläubiger schützen bzw. gegen ihn verteidigen können.
1. § 780 ZPO
Rz. 264
Das Gesetz bietet in § 780 ZPO die Möglichkeit des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung für reine Nachlassverbindlichkeiten, nicht für (auch) Eigenverbindlichkeiten des Erben. Um eine Haftungsbeschränkung während der Zwangsvollstreckung geltend machen zu können, muss die beschränkte Haftung im Urteil vorbehalten werden. Dazu muss der Erbe grundsätzlich bis zum Ende der letzten mündlichen Verhandlung die Einrede der beschränkten Haftung geltend machen und sollte die Aufnahme des Vorbehalts in das Urteil beantragen. Erforderlich ist die Aufnahme in den Tenor, eine Aufnahme in die Urteilsgründe genügt nicht. Ein konkreter Bezug auf den Anteil am Nachlass ist nicht notwendig. Eine Aufnahme erst in der Berufungsinstanz ist nach der Rechtsprechung des BGH möglich.
Eine Berufung auf § 780 ZPO im Zwangsvollstreckungsverfahren ohne vorherige Aufnahme des Vorbehalts in das Urteil ist grundsätzlich nicht möglich. Eine Ausnahme gilt nach § 780 Abs. 2 ZPO für den Fiskus als gesetzlichen Erben, Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter und Nachlasspfleger: Da diese auf die Haftungsbeschränkungen nicht wirksam verzichten können, und der Schuldner in jedem Fall nur mit dem Nachlass haftet, ist in diesen Fällen kein Vorbehalt notwendig.
Rz. 265
Der Vorbehalt sollte in jeden vollstreckungsfähigen Titel aufgenommen werden, so bspw. auch in einen Schiedsspruch oder Vollstreckungsbescheid.
Auch bei Abschluss eines Prozessvergleichs ist die Aufnahme des Vorbehalts in den Vergleich nach §§ 795, 794, 780 ZPO sinnvoll. Gleiches gilt bei Erlass eines Grundurteils. Im anschließenden Verfahren um die konkrete Höhe des Anspruchs kann der jeweilige Erbe mit seinem Einwand gegen die Haftung nicht mehr gehört werden.
Rz. 266
Der Vorbehalt sollte sich auch auf die Prozesskosten erstrecken, sowohl im Urteil als auch im Kostenbeschluss nach § 269 Abs. 4 ZPO, sofern es sich um Nachlassverbindlichkeiten handelt. Da eine Haftungsbeschränkung nur für Nachlassverbindlichkeiten möglich ist, kommt der Vorbehalt der Haftungsbeschränkung in der Regel nicht für eigene Prozesskosten des Erben in Betracht.
Rz. 267
Besteht die Verbindlichkeit, wird der Erbe in der Regel zunächst verurteilt werden. Um der Kostentragungspflicht für die Zwangsvollstreckungsgegenklage nach §§ 785, 767 ZPO durch ein sofortiges Anerkenntnis der Gegenseite zu entgehen, sollte man schon im Erkenntnisverfahren deutlich machen, dass man sich im Zwangsvollstreckungsverfahren auf den Vorbehalt berufen wird.
Rz. 268
Das Gericht kann das tatsächliche Vorliegen der Voraussetzungen einer Haftungsbeschränkung nach überwiegender Ansicht im Hauptsacheverfahren prüfen, kann dies aber auch dem Vollstreckungsverfahren überlassen. Hierüber entscheidet es nach eigenem Ermessen. Vom BGH noch nicht entschieden ist, ob das Prozessgericht ausnahmsweise verpflichtet sein kann, über die Haftungsbeschränkung zu entscheiden, wenn der Rechtsstreit diesbezüglich entscheidungsreif ist.
Rz. 269
Anders ist dies bei §§ 2060, 2061 BGB. Dann bedarf es des Vorbehalts nicht, denn es handelt sich um Einwendungen, die von Amts wegen zu berücksichtigen sind. Liegen die Voraussetzungen der §§ 2060 und 2061 Abs. 1 BGB erstmals nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor, ist Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO zu erheben.
Rz. 270
Mit dem Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung allein ist der Erbe im Rahmen der Zwangsvollstreckung nicht geschützt, denn der Vorbehalt hindert nicht die Zwangsvollstreckung. Nach § 781 ZPO bleibt die unbeschränkte Haftung in der Zwangsvollstreckung unberücksichtigt, bis der betroffene Miterbe entsprechende Einwände erhebt. Dies geschieht über eine Klage nach § 785 ZPO. Erst mit dem Urteil aufgrund dieser Klage wird die Zwangsvollstreckung unzulässig.
Rz. 271
Wurde die Aufnahme des Vorbehalts der beschränkten Haftung beantragt, aber nicht vorgenommen, kann dies im Wege der Urteilsergänzung nach § 321 ZPO nachgeholt werden. Für das Nachholen des Antrages sind auch sonstige Rechtsmittel möglich.
Rz. 272
Für den beratenden Rechtsanwalt stellt sich auch hier die Haftungsfrage: Die Beantragung des Vorbehalts der beschränkten Haftung ist anwaltliche Pflicht.