Dr. Konrad Osthold, Désirée Goertz
Rz. 276
Für Miterben, die das Recht zur Haftungsbeschränkung noch nicht verloren haben, oder bereits Maßnahmen ergriffen haben, stellt sich die Frage, wie sie sich bei der Zwangsvollstreckung vor einem Nachlassgläubiger schützen bzw. gegen ihn verteidigen können.
1. § 780 ZPO
Rz. 277
Das Gesetz bietet in § 780 ZPO die Möglichkeit des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung für reine Nachlassverbindlichkeiten, nicht für Eigenverbindlichkeiten des Erben. Um eine Haftungsbeschränkung während der Zwangsvollstreckung geltend machen zu können, muss die beschränkte Haftung im Urteil vorbehalten werden. Dazu muss der Erbe grundsätzlich bis zum Ende der letzten mündlichen Verhandlung die Einrede der beschränkten Haftung geltend machen und sollte die Aufnahme des Vorbehalts in das Urteil beantragen. Erforderlich ist die Aufnahme in den Tenor, eine Aufnahme in die Urteilsgründe genügt nicht. Ein konkreter Bezug auf den Anteil am Nachlass ist nicht notwendig. Nach Rechtsprechung des BGH ist eine Aufnahme auch noch in der Berufungsinstanz möglich. Es ist jedoch kein förmlicher Antrag nötig, weshalb bei einer Ablehnung des Vorbehalts auch keine Abweisung auszusprechen ist.
Eine Berufung auf § 780 ZPO im Zwangsvollstreckungsverfahren ohne vorherige Aufnahme des Vorbehalts in das Urteil ist grundsätzlich nicht möglich. Eine Ausnahme gilt nach § 780 Abs. 2 ZPO für den Fiskus als gesetzlichen Erben, Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter und Nachlasspfleger: Da diese auf die Haftungsbeschränkungen nicht wirksam verzichten können und der Schuldner in jedem Fall nur mit dem Nachlass haftet, ist in diesen Fällen kein Vorbehalt notwendig.
Rz. 278
Auch wenn dies in der Praxis eine Ausnahme darstellen dürfte, hat das Prozessgericht das Wahlrecht, über das Bestehen einer Haftungsbeschränkung schon im Urteil zu entscheiden; dann käme es auf den bloßen Vorbehalt nicht an. Diese Vorgehensweise erscheint vor allem in Fällen zwingend, in denen die Haftungsbeschränkung vorliegt und der Nachlass bereits erschöpft ist. Denn dann wäre die Klage direkt abzuweisen, da den Erben mangels Haftungsmasse schon keine Leistungspflicht mehr träfe. Gleichermaßen wäre der Vorbehalt nicht mit aufzunehmen, wenn der Erbe nachweislich bereits unbeschränkbar haftet.
Rz. 279
Der schnell übersehene oder vergessene Vorbehalt nach § 780 ZPO stellt eine weitere Falle für den Erben dar. Selbst, wenn er materiell Haftungsbeschränkungsmaßnahmen ergriffen hat, können diese ins Leere gehen, wenn er den bereits in der Reichs-ZPO von 1877 eingeführten Haftungsvorbehalt vergisst. Diese Regelung ergab noch in der Zeit der Rechtsvielfalt vor Einführung des BGB Sinn. Jedenfalls ihre Präklusionswirkung sollte abgeschafft werden.
Rz. 280
Der Vorbehalt sollte in jeden vollstreckungsfähigen Titel aufgenommen werden, so bspw. auch in einen Schiedsspruch oder Vollstreckungsbescheid.
Auch bei Abschluss eines Prozessvergleichs ist die Aufnahme des Vorbehalts in den Vergleich nach §§ 795, 794, 780 ZPO sinnvoll. Gleiches gilt bei Erlass eines Grundurteils, im anschließenden Verfahren um die konkrete Höhe des Anspruchs kann der jeweilige Erbe mit seinem Einwand gegen die Haftung nicht mehr gehört werden.
Rz. 281
Der Vorbehalt sollte sich auch auf die Prozesskosten erstrecken, sowohl im Urteil als auch im Kostenbeschluss nach § 269 Abs. 4 ZPO, sofern es sich um Nachlassverbindlichkeiten handelt. Da eine Haftungsbeschränkung nur für Nachlassverbindlichkeiten möglich ist, kommt der Vorbehalt der Haftungsbeschränkung in der Regel nicht für eigene Prozesskosten des Erben in Betracht.
Rz. 282
Besteht die Verbindlichkeit, wird der Erbe in der Regel zunächst verurteilt werden. Um der Kostentragungspflicht für die Zwangsvollstreckungsgegenklage nach §§ 785, 767 ZPO durch ein sofortiges Anerkenntnis der Gegenseite zu entgehen, sollte man schon im Erkenntnisverfahren deutlich machen, dass man sich im Zwangsvollstreckungsverfahren auf den Vorbehalt berufen wird.
Rz. 283
Das Gericht kann das tatsächliche Vorliegen der Voraussetzungen einer Haftungsbeschränkung nach überwiegender Ansicht im Hauptsacheverfahren prüfen, kann dies aber auch dem Vollstreckungsverfahren überlassen. Hierüber entscheidet es nach eigenem Ermessen. Vom BGH noch nicht entschieden ist, ob das Prozessgericht ausnahmsweise verpflichtet sein kann, über die Haftungsbeschränkung zu entscheiden, wenn der Rechtsstreit diesbezüglich entscheidungsreif ist. Nach neuerer Rechtsprechung des BGH erscheint die Prüfung des § 780 ZPO jedenfalls zumindest geboten, da der Ausspruch eines Haftungsvorbehaltes eine reine Nachlassverbindlichkeit voraussetze und wegen seiner Präjudizialität für eine Vollstreckungsabwehrklage auch eine Beschwer des Gläubigers darstelle.
Rz. 284
Anders ist dies bei §§ 2060, 2061 BGB: Hier bedarf es des Vorbehalts nicht, da es sich um Einwendungen handelt, die von Amts wegen zu berücksichtigen sind. Lie...