A. Einleitung
Rz. 1
Bei einer Erbengemeinschaft treffen Nachlassgläubiger auf Eigengläubiger einzelner Erben. Dies führt – wenig überraschend – zu Interessenkonflikten.
Beide Gläubigergruppen stehen in Konkurrenz zueinander, wobei die Nachlassgläubiger zusätzlich noch ihren ursprünglichen Schuldner verlieren. Beiden Gläubigergruppen präsentiert sich jeweils aber auch eine neue Vermögensmasse: Den Nachlassgläubigern das Eigenvermögen der Erben, den Eigengläubigern der Erben der Nachlass.
Zudem besteht bei den Erben die Angst zu kurz zu kommen: Niemand möchte über Gebühr von Gläubigern des Erblassers in Anspruch genommen werden.
Rz. 2
Die Interessen aller Beteiligten sind auszugleichen. Um dies zu erreichen, enthält das Gesetz in §§ 2058 ff. BGB und den Vorschriften über die Haftung des Alleinerben in §§ 1967 ff. BGB Regelungen. Danach besteht für die Mitglieder einer Erbengemeinschaft die Möglichkeit, Haftungsbeschränkungen herbeizuführen und Einreden zu erheben. Da es sich bei der Erbengemeinschaft um eine Gesamthandsgemeinschaft handelt, genügen die Bestimmungen für den Alleinerben nicht und es existieren entsprechend ergänzende Normen. Zudem ist die Erbengemeinschaft eine von Beginn an auf Auflösung ausgerichtete Gemeinschaft. Daher ist auch geregelt, was nach der Auseinandersetzung bzw. der Teilung des Nachlasses bezüglich der Haftung gilt.
Da den Gläubigern potentiell mehrere Schuldner zur Verfügung stehen, ist zu klären, ob und wie einzelne Erben in Anspruch genommen werden können. In diesem Zusammenhang taucht dann auch schnell das nächste Problem auf: Welche Vermögensmasse steht zu welchem Zeitpunkt zur Begleichung von Forderungen zur Verfügung?
Damit sind zentrale Dreh- und Angelpunkte:
▪ |
Haftungsmasse – Nachlass oder Eigenvermögen und |
▪ |
Haftungsumfang – gesamtschuldnerische oder anteilige Haftung. |
Beide Bereiche sind zu trennen.
B. Überblick
Rz. 3
Grundsätzlich sind für die Erbengemeinschaft auch die Vorschriften über die Haftung des Alleinerben, §§ 1967 ff. BGB, anzuwenden. Die §§ 2058–2063 BGB enthalten jedoch den §§ 1967–2017 BGB gegenüber spezielle Vorschriften. Soweit die §§ 2058–2063 BGB also keine Regelungen enthalten, sind die allgemeinen Vorschriften betreffend den Alleinerben anzuwenden.
C. Nachlassverbindlichkeiten
Rz. 4
Sowohl §§ 1967 ff. BGB als auch §§ 2058 ff. BGB beziehen sich auf "Nachlassverbindlichkeiten", weswegen eine Haftung für diese Verbindlichkeiten zu prüfen ist. Nur für Nachlassverbindlichkeiten ist die in diesen Vorschriften verankerte Begrenzung der Haftung möglich. Ob allerdings Nachlassverbindlichkeiten oder aber eigene Verbindlichkeiten für alle Miterben vorliegen, ist nicht immer leicht festzustellen. Es stehen die folgenden Kategorien zur Verfügung:
▪ |
Erblasserschulden |
▪ |
Erbfallschulden |
▪ |
Nachlasskosten- und Nachlassverwaltungsschulden |
▪ |
Nachlasserbenschulden |
▪ |
Eigenschulden. |
Rz. 5
Gemäß § 1967 BGB haftet der Erbe für Nachlassverbindlichkeiten. Hierbei wird zunächst zwischen Erblasserschulden und Erbfallschulden differenziert. Diese Differenzierung gibt § 1967 Abs. 2 BGB vor. Erblasserschulden sind die vom Erblasser herrührenden Schulden, Erbfallschulden treffen die Miterben als solche (vgl. Rdn 15 f.). Die zusätzlichen Gruppen "Nachlasskosten- und Nachlassverwaltungsschulden" und "Nachlasserbenschulden" sind im Gesetz selbst nicht geregelt. Die Unterteilung in die vorgenannten Gruppen, hilft aber bei der Klärung der Frage, ob eine Nachlassverbindlichkeit vorliegt oder nicht.
Rz. 6
Der von der Erbengemeinschaft als Sondervermögen gehaltene Nachlass haftet grundsätzlich nur für Nachlassverbindlichkeiten. Die Differenzierung zwischen Nachlassverbindlichkeit und Eigenschuld ist daher ein zentraler Punkt zur Klärung, welcher Gläubiger auf welches Vermögen zugreifen darf – die Einordnung entscheidet über die verfügbare Haftungsmasse. Erblasser- und Erbfallschulden sind gemäß § 1967 BGB in der Regel Nachlassverbindlichkeiten mit der Möglichkeit der Haftungsbeschränkung. Bei der Gruppe der Nachlasskosten- und -verwaltungsschulden ist jeweils eine genaue Prüfung notwendig. Nachlasserbenschulden sind zumindest auch Eigenverbindlichkeiten, damit aber keine reinen Nachlassverbindlichkeiten, was in der Regel eine unbeschränkte Haftung bedeutet. Eigenverbindlichkeiten sind keine Nachlassverbindlichkeiten.
Für die Eigenschulden haftet das jeweilige Eigenvermögen jedes Miterben, wobei zum Eigenvermögen aber auch der jeweilige Anteil am Nachlass gehört.
Rz. 7
Der Übergang von Nachlassverbindlichkeiten auf die Erben ist natürlich lediglich soweit möglich, wie Verbindlichkeiten vererblich sind. Ann interpretiert dies als zusätzliches ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal. Höchstpersönliche Verbindlichkeiten sind bspw. nicht vererblich.
Soweit besteht Übereinstimmung mit der Situation eines Alleinerben. Wegen der Besonderheiten der Erbengemeinschaft ist im Rahmen der §§ 2058 ff. BGB noch zu prüfen, ob eine gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeit besteht.