§ 13 Die erbrechtliche Anfechtung (§§ 2078 ff. BGB)

 

Rz. 122

"DieAnfechtung einer letztwilligen Verfügung, durch die ein Erbe eingesetzt, ein gesetzlicher Erbe von der Erbfolge ausgeschlossen, ein Testamentsvollstrecker ernannt oder eine Verfügung von Todes wegen aufgehoben wird, erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht" (§ 2081 Abs. 1 BGB). Ist der Minderjährige in einer Verfügung von Todes wegen übergangen worden, weil er bei der Errichtung der Verfügung von Todes wegen z.B. noch gar nicht geboren war, so kann die Verfügung gemäß § 2079 BGB angefochten werden.

 

Beispiel

Ehegatten errichten ein gemeinschaftliches Testament, wonach sie sich wechselseitig zu Alleinerben einsetzen. Im Zeitpunkt der Testamentserrichtung waren die Gatten kinderlos. Wider Erwarten wird in der Ehe noch ein Kind geboren. Der Vater stirbt.

 

Rz. 123

Der in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Minderjährige kann im Beispiel selbst die Anfechtung bezüglich des Testaments erklären, weil sie ihm nur einen rechtlichen Vorteil bringt:[1] Die ihn beeinträchtigende Verfügung ist bei erfolgreicher Anfechtung nichtig gem. § 142 BGB. Es tritt gesetzliche Erbfolge ein, wenn keine ältere Verfügung von Todes wegen vorhanden ist.

 

Rz. 124

Nimmt der gesetzliche Vertreter des Minderjährigen die Anfechtung vor, weil der Minderjährige rechtlich beeinträchtigt ist (vgl. § 2080 Abs. 1 BGB), so ist zu beachten, dass die Anfechtungserklärung zwar dem Nachlassgericht gegenüber erfolgt, sich aber in der Sache, also materiell-rechtlich, an den richtet, der der Begünstigte der Verfügung von Todes wegen ist (vgl. § 2081 Abs. 2 BGB). Es liegt nahe, wie auf andere amtsempfangsbedürftige Erklärungen auch, § 181 BGB analog anzuwenden.[2] Das ist bedeutsam, wenn ein Eltern-, Großelternteil oder andere Kinder des bedachten Elternteils materiell Betroffene sind, weil dann neben § 181 BGB auch § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu beachten ist.

Im Beispiel Rdn 122: Die Mutter als gesetzlicher Vertreter ihres Kindes möchte (auch aus steuerlichen Gründen) nicht, dass ihr Kind nur den Pflichtteil bekommt. Sie möchte daher im Namen des Kindes das Testament anfechten. Wegen der gebotenen analogen Anwendung von § 181 BGB wäre sie – weil die Anfechtung materiell gegenüber ihr selbst erfolgt – an der Abgabe einer rechtswirksamen Anfechtungserklärung gehindert, würde man die Vorschrift des § 181 BGB nicht allgemein – und deshalb auch in diesem Zusammenhang – einschränkend dahin auslegen, dass sie nicht anwendbar ist, wenn sie für den Vertretenen nur einen rechtlichen Vorteil bringt.

Indes ist die h.M. bei amtsempfangsbedürftigen Erklärungen, wie der der Testamentsanfechtung, generell anderer Ansicht, weil sie der Rechtsprechung des RG folgt,[3] die aus einer Zeit stammt, zu der man § 181 BGB, jedenfalls in den Fällen des rechtlichen Vorteils für den Minderjährigen, noch nicht einschränkend nach dem Schutzzweck auslegte, wie es der BGH und die ganz h.M. seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts tut.[4]

Folgt man der h.M., so muss zuerst für das Kind ein Ergänzungspfleger bestellt werden, der dann die Anfechtung erklärt. Bis zur Pflegerbestellung ist das Kind wegen § 181 BGB, dem Verbot des In-Sich-Geschäfts des gesetzlichen Vertreters, nicht gesetzlich vertreten, so dass die Anfechtungsfrist gehemmt ist (§§ 2082 Abs. 2, 210 BGB).

 

Rz. 125

Nach der oben näher (Rdn 123) ausgeführten gegenteiligen Ansicht, dass nämlich die Anfechtung für das Kind nur rechtlich vorteilhaft ist, stellt sich die Frage: Was ist, wenn der gesetzliche Vertreter des Kindes untätig bleibt, weil ihm selbst als materieller Anfechtungsgegner die Anfechtung des Kindes nachteilig ist? Läuft die Anfechtungsfrist? § 210 BGB ist bei Fehlen eines gesetzlichen Vertreters anwendbar, wenn § 181 BGB das Tätigwerden des gesetzlichen Vertreters aus rechtlichen Gründen verbietet.[5] Die Vorschrift hat nicht den Schutz des Minderjährigen vor Pflichtversäumnissen seines gesetzlichen Vertreters zum Ziel.[6] Aber im Falle der einschränkenden Auslegung des § 181 BGB wegen des rechtlichen Vorteils wendet man § 210 BGB dennoch an.[7] Dies ist gerechtfertigt, denn der beschränkt geschäftsfähige Minderjährige wird in aller Regel das Ganze noch weniger überblicken als ein Volljähriger. Die Anfechtungsfrist ist danach gehemmt (vgl. Rdn 131).

 

Rz. 126

Zum umgekehrten Fall: der Minderjährige ist der materiell-rechtliche Anfechtungsgegner.

 

Beispiel

Der Großvater hat seinen Sohn, den Vater, enterbt, weil er bei der Testamentsabfassung davon ausging, dieser habe eine gravierende Straftat gegen ihn begangen. Er hat deshalb dessen Sohn, seinen Enkel, zum Alleinerben eingesetzt. Der Vater möchte das Testament anfechten.

Die Anfechtungserklärung wendet sich formell-rechtlich wiederum an das Nachlassgericht, aber sachlich betroffen ist der Enkel, der Sohn des Anfechtenden. Für diesen ist die Anfechtung des Vaters rechtlich nachteilig im Sine des § 107 BGB, weil er eine Rechtsposition als Erbe verliert,[8] wenn die Anfechtung wirksam ist. § 181 ist auf d...

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