Rz. 15
Das BAG unterstreicht zunächst eindeutig, dass der durch Generalklauseln vermittelte Schutz nicht dazu führen dürfe, dass den Kleinunternehmern praktisch die im KSchG vorgegebenen Maßstäbe der Sozialwidrigkeit auferlegt würden. Für die Bestimmung des Inhalts und der Grenzen eines Kündigungsschutzes außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes sei die Bedeutung grundrechtlicher Schutzpflichten, insbesondere der objektive Gehalt des Art. 12 Abs. 1 GG, zu beachten. Der durch die zivilrechtlichen Generalklauseln des § 138 und § 242 BGB vermittelte verfassungsrechtliche Schutz sei umso schwächer, je stärker die mit der Kleinbetriebsklausel geschützten Grundrechtspositionen des Arbeitgebers im Einzelfall betroffen seien. Es gehe vor allem darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen, z.B. Diskriminierungen i.S.v. Art. 3 Abs. 3 GG. Es obliegt dabei insbesondere grundsätzlich dem Arbeitnehmer darzulegen und zu beweisen, dass die Kündigung nach § 242 BGB treuwidrig ist. Die Regel des § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG, wonach der Arbeitgeber die Tatsachen zu beweisen hat, die die Kündigung begründen, gelte außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes nicht. Demgemäß sind die Grundsätze des KSchG nicht – auch nicht durch § 242 BGB – auf Kündigungen übertragbar, die außerhalb des Anwendungsbereiches des KSchG ausgesprochen werden. Insbesondere existiert kein allgemeines Sachgrunderfordernis für Kündigungen. Auch überstaatliches Recht (etwa Art. 8, 14 EMRK, Art. 30 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) begründe keinen ergänzenden Kündigungsschutz. Der Schutz vor ungerechtfertigten Entlassungen ist ausreichend durch unionsrechtlich nicht vollständig determiniertes innerstaatliches Recht, wie beispielsweise § 612a BGB und die §§ 138, 242 BGB, gewährleistet wird. Prüfungsmaßstab sind daher die zivilrechtlichen Generalklauseln und (mittelbar) die Grundrechte des Grundgesetzes.
Rz. 16
Kündigungen, die an das Verhalten des Arbeitnehmers anknüpfen, bedürfen außerhalb des Anwendungsbereiches des KSchG keiner Abmahnung. Wendet der Arbeitnehmer ein, die Kündigung beruhe auf willkürlichen Motiven, so ist zur Widerlegung dieses Einwandes ein irgendwie einleuchtender Grund für die Kündigung notwendig. Dies ist z.B. in vertrauensrelevanten Bereichen gegeben, wenn der Arbeitgeber aufgrund objektiver Tatsachen vortragen kann, das Vertrauen in die Loyalität des Arbeitnehmers verloren zu haben und die Tatsachen eine solche Möglichkeit jedenfalls nicht als ausgeschlossen erscheinen lassen. Dies ist z.B. bei nicht aufklärbaren Kassendefiziten der Fall. Auch in einem Kleinbetrieb wird aber nach der Rechtsprechung das Tragen eines Kopftuches in aller Regel nicht geeignet sein, eine Kündigung zu bedingen. Zwar kann ein Arbeitgeber grundsätzlich von seiner Arbeitnehmerin mit Kundenkontakt erwarten, sich dem Charakter des Handelsgeschäfts und dessen Kundenstamm entsprechend branchenüblich zu kleiden. Das BAG stützt seine – das Tragen eines Kopftuches betreffende – Leitentscheidung aber auf verfassungsrechtliche Erwägungen zugunsten der Religionsfreiheit der Arbeitnehmerin; diese verfassungsrechtlichen Gewährleistungen fließen über § 315 BGB in das Arbeitsverhältnis ein und gelten somit auch außerhalb des KSchG.
Rz. 17
Insoweit die Rspr. sich mit den Gründen für eine Kündigung außerhalb des KSchG überhaupt auseinander setzt, handelt es sich bezeichnenderweise um solche Gründe, die an sich geeignet sind, einen Verstoß gegen die guten Sitten oder einen anderweitigen Gesetzesverstoß zu begründen und daher die Kündigung bereits nach § 138 BGB sittenwidrig oder nach § 242 BGB bzw. den Spezialgesetzen (z.B. dem AGG) treuwidrig zu machen. Zu den typischen Tatbeständen einer treuwidrigen Kündigung zählen Rechtsmissbrauch und Diskriminierungen. Zu nennen sind hier z.B. personenbezogene Kündigungsgründe, die das Dienstverhältnis nicht berühren, beispielsweise an die Homosexualität des Arbeitnehmers anknüpfen. Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Ausübungsbegrenzung. Im Rahmen einer solchen, einerseits die Grundrechte der Vertragsfreiheit (Kündigungsfreiheit) und andererseits die Rechte auf Achtung der Menschenwürde sowie auf freie Entfaltung der Persönlichkeit konkretisierenden Generalklausel sind diese Rechte gegeneinander abzuwägen. Deshalb ist es rechtsmissbräuchlich, wenn der Arbeitgeber unter Ausnutzung der Privatautonomie dem Arbeitnehmer nur wegen seiner persönlichen (sexuellen) Orientierung innerhalb der Probezeit kündigt. Eine ordentliche Kündigung, die einen Arbeitnehmer, auf den das Kündigungsschutzgesetz (noch) keine Anwendung findet, aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe diskriminiert, ist nach § 134 BGB i.V.m. § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG unwirksam. § 2 Abs. 4 AGG steht dem nicht entgegen. Eine symptomlose HIV-Infektion hat eine Behinderung im Sinne des Allgemeinen Gleichbeh...