A. Einführung
Rz. 1
Kündigungsschutz ist in Deutschland ein Begriff, dessen Inhalt dem KSchG zugewiesen wird. Das KSchG beschränkt seine Anwendbarkeit indes in sachlicher und personaler Hinsicht (vgl. § 3 Rdn 17 ff.). Verfassungsrechtlich ist dies zulässig.
Rz. 2
Jede Kündigungserklärung ist – unabhängig von der Geltung des KSchG – den allgemeinen Voraussetzungen einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung unterworfen. Verstöße gegen diese Vorschriften können im Rahmen einer "Kündigungsschutzklage außerhalb des Schutzbereichs der §§ 1, 23 KSchG" geltend gemacht werden, was nach § 13 KSchG aber gleichwohl innerhalb der Frist des § 4 KSchG zu geschehen hat. Darüber hinaus normieren die Vorschriften des BGB besondere Vorgaben für die Kündigungserklärung, z.B. die Schriftform. Der Kündigende hat gem. § 622 BGB Kündigungsfristen und Kündigungstermine zu wahren. Diese Beschränkung der Rechtsausübung ist zu trennen von dem Schutz gegen eine unzulässige Rechtsausübung und daher nicht Gegenstand dieses Paragrafen (im Einzelnen vgl. § 3 Rdn 1 ff.). Nicht behandelt werden sollen auch Kündigungsverbote, die sich aus Spezialgesetzen ergeben, z.B. dem MuSchG oder SGB IX (hierzu genauer vgl. § 7 Rdn 1 ff.).
Rz. 3
Der Gesetzgeber hat mit dem "Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt" vom 24.12.2003 einmal mehr bestätigt, dass der sachliche Anwendungsbereich des KSchG Einschränkung finden soll. Er hat durch die Neufassung des § 23 KSchG den Anwendungsbereich aus arbeitsmarktpolitischen Gründen eingeschränkt. Hieraus ist der klare gesetzgeberische Wille ersichtlich, außerhalb des KSchG grundsätzlich keinen sozialen Kündigungsschutz Anwendung finden zu lassen. Gleichwohl sind auch Kündigungen außerhalb des Anwendungsbereiches des KSchG Grenzen der Rechtsausübung unterworfen, die jedoch im Ergebnis nicht zu einer Gleichstellung von Kleinbetrieben mit solchen führen dürfen, in denen das KSchG gilt.
Rz. 4
Gegenstand dieses Kapitels ist die Frage, welche allgemeinen Schranken der Rechtsausübung für Kündigungen außerhalb des persönlichen und betrieblichen Anwendungsbereiches des KSchG gelten. Darüber hinaus werden vertragliche Kündigungsbeschränkungen behandelt.
B. Allgemeiner Kündigungsschutz außerhalb des KSchG
I. Verfassungsrechtlicher Hintergrund
Rz. 5
Der Schutz des Arbeitsplatzes ist mehr als bei anderen Vertragstypen Anliegen des Gesetzgebers. Die speziellen Kündigungsverbote sind unmittelbarer Ausdruck eines verfassungsrechtlichen Schutzes. So gebietet Art. 6 GG den Schutz von Ehe und Familie. Art. 6 Abs. 4 GG hat diesen Schutz konkretisiert und ausgestaltet auf den Anspruch einer jeden Mutter auf den Schutz der Gemeinschaft. Besondere Kündigungsverbote wie § 9 MuSchG, § 18 BEEG tragen dem Rechnung. In der gleichen Weise konkretisieren § 1 AGG den nach Art. 3 Abs. 2 GG gebotenen Schutz vor geschlechtsdiskriminierendem Verhalten und § 85 SGB IX den nach Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG gebotenen Schutz vor Benachteiligungen wegen einer Behinderung.
Rz. 6
Abweichend von diesem Schutzgedanken gebietet das GG aber keinen allgemeinen Kündigungsschutz in Arbeitsverhältnissen unabhängig vom Anwendungsbereich des KSchG. Insbesondere lässt sich die Beschreibung eines allgemeinen Kündigungsschutzes nicht aus Art. 12 Abs. 1 GG herleiten. Durch Art. 12 GG wird der Einzelne in seinem Entschluss, eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in dem gewählten Beruf zu ergreifen oder ein bestehendes Arbeitsverhältnis beizubehalten oder aufzugeben, zwar vor staatlichen Maßnahmen geschützt, die ihn am Erwerb eines zur Verfügung stehenden Arbeitsplatzes hindern oder zur Annahme, Beibehaltung oder Aufgabe eines bestimmten Arbeitsplatzes zwingen. Jedoch ist mit der Berufswahlfreiheit weder ein Anspruch auf Bereitstellung eines Arbeitsplatzes eigener Wahl noch eine Bestandsgarantie für den einmal gewählten Arbeitsplatz verbunden. Ebenso wenig gewährt Art. 12 Abs. 1 GG einen unmittelbaren Schutz gegen den Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund privater Disposition. Insofern obliegt dem Staat zwar eine aus dem Grundrecht folgende Schutzpflicht, der die geltenden Kündigungsvorschriften aber abschließend Rechnung tragen.
Rz. 7
Das BVerfG hat deshalb den Ausschluss der nicht unter den Anwendungsbereich des KSchG fallenden Arbeitnehmer aus dem besonderen Kündigungsschutz zu Recht bestätigt. Der Gesetzgeber habe mit § 23 KSchG einen Ausgleich zwischen den grundrechtlich geschützten Belangen der Arbeitsvertragsparteien getroffen. Dieser Ausdruck der praktischen Konkordanz genüge den aus den Grundrechtsnormen abzuleitenden Schutzpflichten. Die Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer in Kleinbetrieben und derjenigen, die in größeren Betrieben beschäftigt seien, sei durch die besondere Lage der Arbeitgeber in Kleinbetrieben gerechtfertigt, die sich durch persönliche Zusammenarbeit, geringere Finanzausstattung und begrenzte Verwaltungskapazität des Unternehmens auszeichne. In einem Betrieb mit wenigen Arbeitskräften hänge der Geschäftserfolg mehr als bei Großbetrieben von jedem einzelnen Arbeit...