Dr. Gudrun Doering-Striening
A. Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe
Rz. 1
Durch das neue Bundesteilhabegesetz wurde die Eingliederungshilfe (früher §§ 53 ff. SGB XII) – und nur diese – aus dem allgemeinen "Fürsorgesystem" des SGB XII herausgeführt. Das bedeutet, dass man bei volljährigen behinderten Menschen die notwendigen Bedarfe konsequent aufteilt und entsprechenden Leistungen, Gesetzen und Leistungsträgern zuordnet. Gedeckt wird
▪ |
der Bedarf an existenzsichernden Leistungen zum Lebensunterhalt (Existenzsicherung) aus dem SGB II oder SGB XII |
▪ |
der behinderungsbedingte Bedarf an Leistungen der Eingliederungshilfe (Fachleistung) aus dem SGB IX (Bundesteilhabegesetz). |
§ 93 SGB IX n.F. bestimmt dazu, dass die Vorschriften über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch (SGB II = Hartz IV) sowie über die Hilfe zum Lebensunterhalt und die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch (§§ 27 ff. und §§ 41 ff. SGB XII) unberührt bleiben.
Die Existenzsicherung ist also für bedürftige Menschen mit Behinderung, die nicht erwerbsfähig sind, weiterhin durch die Leistungen der Grundsicherung und der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII geregelt.
Rz. 2
2018 erhielten in Deutschland rd. 943.000 Menschen Eingliederungshilfe für behinderte Menschen. Maßnahmen der Eingliederungshilfe werden im Rehabilitationsrecht, und zwar in den §§ 90 ff. SGB IX, geregelt:
▪ |
medizinische Rehabilitation |
▪ |
Teilhabe am Arbeitsleben |
▪ |
Teilhabe an Bildung |
▪ |
soziale Teilhabe. |
Rz. 3
Während die Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation und die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch die vorrangig zuständigen Leistungsträger abgedeckt werden, ist für die soziale Teilhabe die Eingliederungshilfe zumeist das einzige Leistungssystem. Sie war 2018 mit rund 692.000 Menschen die größte Fallgruppe innerhalb der Eingliederungshilfe. Leistungen zur Sozialen Teilhabe (§§ 113 ff. SGB IX) sind personenzentrierte Leistungen (§ 95 SGB IX) und werden erbracht, um eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, soweit sie nicht nach den Kapiteln 3 bis 5 des SGB IX erbracht werden. Hierzu gehört, Leistungsberechtigte zu einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im eigenen Wohnraum sowie in ihrem Sozialraum zu befähigen oder sie hierbei zu unterstützen. Leistungen zur Sozialen Teilhabe werden in § 113 SGB IX beschrieben und sind insbesondere
Der Leistungskatalog ist nicht abschließend (§ 113 Abs. 2 SGB IX).
B. Nachranggrundsatz und Beitragsleistungen
Rz. 4
Eingliederungshilfe ist ein steuerfinanzierter Leistungstopf. Ihre Strukturprinzipien ergeben sich aus dem
▪ |
Nachranggrundsatz |
▪ |
Individualisierungsgrundsatz |
▪ |
Bedarfsdeckungsprinzip. |
Mit der Neuregelung der Eingliederungshilfe geht gegenüber dem SGB XII insoweit kein grundsätzlicher Paradigmenwechsel einher:
Zitat
"Die Leistungen der Eingliederungshilfe sehen neben der Nachrangregelung in § 91 ferner vor, dass im Rahmen der finanziellen Leistungsfähigkeit auch der Leistungsberechtigte einen eigenen Beitrag zu den steuerfinanzierten Leistungen beizutragen hat. Die bisherigen sozialhilferechtlichen Regelungen zum Einkommens- und Vermögenseinsatz werden durch ein neues System des Eigenbeitrages zu den Aufwendungen ersetzt. Nun wird die finanzielle Inanspruchnahme losgelöst von dem bisherigen fürsorgerechtlichen System geregelt. Der bisherige Einsatz des Einkommens der Bedarfsgemeinschaft wird durch einen Eigenbeitrag ersetzt. Dieser Eigenbeitrag richtet sich nur nach der finanziellen Situation des Leistungsberechtigten."
Rz. 5
§ 91 SGB IX n.F. regelt deshalb ausdrücklich, dass nur derjenige Eingliederungshilfe erhält, der die erforderliche Leistung nicht von anderen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Wie im SGB XII heißt es im § 91 Abs. 2 SGB IX n.F.: "Verpflichtungen anderer (…) bleiben unberührt."
Nach § 92 SGB IX n.F. hat der Hilfeempfänger zu den Leistungen der Eingl...