Andre Naumann, Christian Brinkmann
Rz. 10
In der Schadenbearbeitung ist der VR regelmäßig auf schriftliche Informationen der Ärzte angewiesen, wobei es keine grundsätzlichen Formvorschriften für die ärztlichen Stellungnahmen gibt. So muss nicht zwangsläufig der Vordruck des VR verwendet werden.
Inhaltlich kann man die Auskünfte in Atteste bzw. Bescheinigungen, Berichte und Gutachten unterteilen.
1. Atteste und Bescheinigungen
Rz. 11
Atteste und Bescheinigungen enthalten nur wenige und gezielte Informationen, z.B. die Aufenthaltsdauer einer stationären Behandlung mit Diagnose zur Geltendmachung von Krankenhaustagegeld. Die Aussagekraft ist sehr beschränkt und bezieht sich nur auf Einzelfragen.
Die Kosten hierfür trägt der VR (siehe § 5 Rn 437 ff.). Häufig fordern die VR als Voraussetzung der Kostenerstattung die Vorlage der Originalquittung.
2. Berichte
Rz. 12
OP-, MRT-, CT-Berichte, Röntgen- und Histologieberichte sowie Entlassungsbriefe aus dem Krankenhaus sind in der Regel Darstellungen der vorgefundenen Gesundheitssituation und der Behandlungsmaßnahmen. Daraus lassen sich zwar gewisse Erkenntnisse herleiten, welche jedoch als einzelne Informationsquelle nicht immer ausreichen, um den Nachweis des Unfallzusammenhangs zu erbringen.
Beispiel
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OP-Bericht: "Der gerissene Meniskus wurde teilweise entfernt und geglättet". Warum der Meniskus gerissen ist bleibt offen. Nur in Zusammenhang mit einem histologischen Befund ließen sich etwa zu einem möglichen unfallfremden Verschleiß des Meniskus Erkenntnisse gewinnen. |
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Entlassungsbrief: "Die VP wurde nach operativer Versorgung des Armbruchs und Behandlung der Ohnmacht in die ambulante Behandlung entlassen". Ob die Ohnmacht den Sturz auslöste oder Folge des Sturzes war, bleibt offen. Der Versicherungsschutz ist dadurch nicht geklärt |
Rz. 13
Sobald die beschriebenen Befunde und Diagnosen bewertet werden, ist die Aussagekraft groß, aber nicht zwangsläufig richtig. Streitigkeiten zwischen VN und VR sind oft an die Schlussfolgerungen geknüpft.
3. Gutachten
Rz. 14
Gutachten unterscheiden sich von Berichten durch die vorgenommenen Bewertungen. Die Befunde und Diagnosen werden im Zusammenhang mit dem Unfallereignis diskutiert. Umfang und Qualität von Gutachten sind sehr unterschiedlich und die Bewertung kann durch weitere Informationen, die vielleicht erst später bekannt werden, anders ausfallen. Deshalb ist eine Überprüfung von Gutachten durch die VR oder ein Gericht im Hinblick darauf, ob die Bewertung den vorher zusammengefassten Befunden und Diagnosen entspricht, möglich.
4. Aussagekraft
Rz. 15
Prinzipiell sind alle Atteste, Bescheinigungen, Berichte und Gutachten als Beweismittel geeignet. Die Bewertungen der Mediziner bleiben durch den VR oder im Prozess durch das erkennende Gericht voll überprüfbar.
Beispiel zur Aussagekraft medizinischer Unterlagen
Ein Mittelfußknochen ist gebrochen. Der Entlassungsbrief spricht von einer pathologischen (krankhaften) Fraktur.
Ein Röntgenbild beweist die Fraktur. Ob es sich um eine unfallbedingte oder eine pathologische Fraktur handelt, ist eine Bewertung des Arztes, für die andere Tatsachen herangezogen werden müssen.
5. Umgang in der Praxis
Rz. 16
Grundsätzlich fordern die VR medizinische Unterlagen schriftlich an. Telefonische Auskünfte erhalten sie wegen der Schweigepflicht der Ärzte nur in wenigen Konstellationen. Die reine Aufenthaltsdauer einer VP im Krankenhaus kann oft telefonisch ermittelt werden, Diagnosen dagegen nicht. Die Anforderung von ärztlichen Unterlagen seitens des VR ist häufig zeitaufwendig. Zur Beschleunigung der Schadenregulierung liegt es daher auch im Interesse der VP, wenn Kopien von Operationsberichten, Entlassungsbriefen oder anderen Befundberichten persönlich beim Arzt abgefordert werden.
Hinweis
Im Anhang (§ 16) befinden sich Muster für medizinische Auskünfte. Sie sind entsprechend den verschiedenen Leistungsarten aufgebaut (siehe § 16 Rn 7 ff.).