Andre Naumann, Christian Brinkmann
Rz. 63
Innere Organe werden oft bei schweren Polytraumen (Mehrfachverletzungen) geschädigt. Einige Unfallmechanismen eignen sich aber auch für isolierte Schädigungen von inneren Organen. Die Bewertung des Invaliditätsgrades erfolgt entsprechend den Regelungen außerhalb der Gliedertaxe (vgl. § 5 Rn 62 ff.).
1. Paarige Organe
Rz. 64
Die Schädigung von paarigen Organen ist zunächst zu behandeln wie jede andere Verletzung auch. Eine besondere Brisanz bei der Invaliditätsfeststellung entsteht aber in Fällen einer einseitigen Organentfernung. Wird ein Organ entnommen und das zweite funktioniert ohne Einschränkungen normal weiter, dann fehlt es mitunter an einer messbaren Funktionsbeeinträchtigung des Körpers. Für den Verlust einer Niere bei intaktem kontralateralen Organ erfolgt eine Einschätzung von 0 %. Diese Wertung befremdet und ist in sich nicht schlüssig.
Würde bei einem Patienten mit nur noch einer Niere ein Unfall dazu führen, dass er eine Spenderniere benötigt, dann müsste diese VP mit erheblichen Einschränkungen leben. Damit das Organ nicht abgestoßen wird, müssen zum Teil starke Medikamente genommen werden. Regelmäßig steht eine weitere Operation zukünftig an, da Spenderorgane meist nur einige Jahre funktionieren. Eine Dialyse ist oftmals nebenbei erforderlich. Hier stellt sich die Frage, wie der Verlust der zweiten Niere entschädigt werden soll? Es liegt eine Funktionsbeeinträchtigung vor, die bei vorhandener weiterer Niere nicht eingetreten wäre. Würde man hier wegen Mitwirkung von Krankheiten und Gebrechen die Leistung kürzen, dann wäre eine VP, die bei zwei Unfällen jeweils eine Niere verliert, schlechter gestellt als eine VP, die bei einem Unfall beide Nieren verliert.
Ähnlich besteht die Problematik bei Hoden. Hier führt ein Hodenverlust bei funktionsfähigem zweitem Hoden nicht zwangsläufig zu einer hormonellen Schädigung oder einer Zeugungsunfähigkeit. Entsteht eine Zeugungsunfähigkeit (ohne erektile Dysfunktion), sollte eine unterschiedliche Bewertung im Hinblick auf das Alter und die Lebenssituation der VP erfolgen. So ist bei einem bereits sterilisierten 50-jährigen die Beeinträchtigung geringer zu bewerten als bei einem 20-jährigen (beachte auch Hodentorsion, vgl. Rn 84).
2. Milz
Rz. 65
Ein traumatischer Milzriss als Folge einer direkten Gewalteinwirkung ist in der Regel unproblematisch vom spontanen, also unfallfremden Milzriss abgrenzbar. Schwierigkeiten, selbst bei vollständigem Organverlust, bereitet die Bewertung von Dauerschädigungen. Bleibt die Milz zu mehr als 30 % erhalten und ist die regelgerechte Durchblutung gesichert, dann wird man von einer fehlenden Invalidität ausgehen müssen. Bei einer Milzentfernung (Splendektomie) ist vieles streitig. Es kann zu der Situation kommen, dass im Körper der VP laborchemische Veränderungen nachweisbar sind, aber eine aktuelle Funktionseinbuße nicht vorliegt. Dies stellt für den Vollbeweis einer eingetretenen Invalidität, den der VN zu führen hat, ein praktisches Problem dar.
Kommt es also zu einem Gutachten, welches zeitlich postoperativ zwischen dem 18. und 21. Monat erfolgen sollte, kann das Ergebnis für den VN unbefriedigend ausfallen.
Einige Mediziner sehen durch einen Milzverlust eine Invalidität von 10 % als gegeben an. Das entspricht den Überlegungen vor Einführung der AUB 88, einen Milzverlust mit 10 % in der Gliedertaxe zu fixieren.
Viele VR gehen daher den Weg eines frühzeitigen Angebots auf Grundlage eines Invaliditätsgrades von 10 %. Damit erhält der VN frühzeitig Geld und eine sehr aufwendige Begutachtung wird vermieden. In manchen Bedingungswerken ist die Milz in der Gliedertaxe integriert.
3. Hirnblutungen
Rz. 66
Es gibt verschiedene Arten bzw. Ursachen von Hirnblutungen. Zur Feststellung einer möglichen Unfallursächlichkeit der Hirnblutung sind der Schadenhergang, das Vorliegen etwaiger äußerer Kopfverletzungen und der konkrete Blutungsherd zu berücksichtigen.
Als epidurale Blutung bezeichnet man eine zwischen dem Schädelknochen und der harten Hirnhaut (dura mater) befindliche Einblutung. Hierbei kommt es nach einem Trauma zu einer schnellen Einblutung mit einer sehr raschen Symptomatik.
Bei der subduralen Blutung, die auch unfallunabhängige Ursachen haben kann, befindet sich der Blutungsherd unter der dura mater. Die Einblutung entsteht hier ebenfalls rasch mit einer frühen Symptomatik. Ursache kann ein vorangegangenes Trauma sein, sie kann aber auch unfallfremd entstehen.
Das chronische Subduralhämatom (CSDH) entsteht durch ein langsames Einbluten im Schädelinneren. Die ersten Symptome treten ca. 3 Wochen bis Monate später auf. Es kann durch ein (Bagatell-)Trauma verursacht werden und betrifft meist ältere Menschen.
Die Subarachnoidalblutung (SAB) erfol...