Rz. 17
Die Verantwortungsbereiche zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer sind bei der Mitverschuldenshaftung vielfach nicht leicht voneinander abzugrenzen. Vorrang hat die überlegene Sachkunde des als Fachmann beauftragten Geschäftsbesorgers. Die Anrechnung eines schadensursächlichen Mitverschuldens des Mandanten selbst oder seines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen (§§ 254, 278 BGB) auf den Regressanspruch gegen den Rechtsanwalt – oder Steuerberater – richtet sich nach folgenden Grundsätzen:
Der Einwand des mitwirkenden Verschuldens greift i.d.R. dann nicht ein, wenn die Verhütung des entstandenen Schadens nach dem Vertragsinhalt – v.a. im rechtlichen Bereich – allein dem in Anspruch genommenen Berater oblag. In diesem Bereich ist es nach dem Inhalt des Anwaltsvertrages allein Sache des Anwalts, einen Schaden seines Auftraggebers zu verhindern. Deswegen kann grds. dem geschädigten Auftraggeber nicht ein Mitverschulden angerechnet werden, weil er eine Gefahr, zu deren Vermeidung er den fachkundigen Berater hinzugezogen hat, bei genügender Sorgfalt selbst hätte erkennen und abwenden können. Dies gilt selbst bei einschlägiger Vorbildung des Mandanten, weil auch dieser sich auf eine einwandfreie Vertragserfüllung durch seinen Berater verlassen darf. Zu diesem "originären Vertragsbereich" gehören insb. Aufklärungs- und Beratungsfehler, Fehler bei der Fristenkontrolle sowie fehlerhafte Auskünfte. Daher kann nach diesen Grundsätzen der Einwand des Mitverschuldens nicht darauf gestützt werden, der in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht im Vorprozess anwesende Geschäftsführer der Mandantin, ein zugelassener Rechtsanwalt, hätte den Auftrag zur Rücknahme der Berufung erteilen müssen, nachdem dies vom Senatsvorsitzenden empfohlen worden war, um hierdurch die Gerichtskosten für das Berufungsverfahren zu verringern. Solange der im Termin anwesende Prozessanwalt die Rücknahme der Berufung nicht empfiehlt, kommt ein Mitverschulden der Mandantin nicht in Betracht; es ist die Aufgabe des Prozessanwalts, die Mandantin rechtlich zu beraten. Ebenso kann einem Arzt, der einen Anwalt mit der Prüfung der berufsrechtlichen Zulässigkeit eines neuen gesellschaftsrechtlichen Modells beauftragt, nicht als Mitverschulden angelastet werden, dass er sich nicht selbst mit dieser Frage an die zuständige Ärztekammer gewendet hat.
Unter besonderen Umständen kann allerdings ausnahmsweise auch im originären Vertragsbereich ein Mitverschulden des Mandanten in Erwägung zu ziehen sein. Dies kann beispielsweise in Betracht kommen, wenn Warnungen oder ohne weiteres erkennbare Umstände, die gegen die Richtigkeit des von dem Berater eingenommenen Standpunkts sprechen, nicht genügend beachtet werden. Auf die Kürze der Beratung kann in diesem Zusammenhang nicht abgestellt werden. Da der Mandant sich auf ihren Inhalt verlassen kann, braucht er nicht in Erwägung zu ziehen, die knappe Beratung könne unvollständig sein.
Dagegen kann ein vom geschädigten Mandanten zu verantwortendes Mitverschulden (§§ 254, 278 BGB) die Regressforderung beeinträchtigen, wenn sein Schadensbeitrag aus dem Bereich seiner Eigenverantwortung herrührt, also dort seine Ursache hat und der Auftraggeber – oder sein gesetzlicher Vertreter oder Erfüllungsgehilfe – diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die nach der Sachlage erforderlich erschien, um sich selbst – bei Einschaltung von Hilfspersonen: den Mandanten – vor Schaden zu bewahren. So kann ein Mandant nach dem ihm obliegenden Gebot der Wahrung des eigenen Interesses gehalten sein, seinen Berater über eine fundierte abweichende Auskunft, die er von einer sachkundigen Person erhalten hat, zu unterrichten.