Rz. 22
Haften verschiedene Personen für den Schaden eines anderen, so sind sie als Gesamtschuldner zum Schadensersatz verpflichtet (§§ 421 ff. BGB). Ein Gesamtschuldner kann sich ggü. dem Geschädigten nicht damit entlasten, dass neben ihm andere – möglicherweise in stärkerem Maße als er – zu dem Schaden beigetragen haben (vgl. § 1 Rdn 270 ff., 328, 337 ff.). Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn mehrere Rechtsanwälte oder Steuerberater – neben- oder nacheinander – denselben Auftraggeber geschädigt haben. In einem solchen Fall kann derjenige Schädiger, der vom Geschädigten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, vom Mitschädiger anteiligen Schadensausgleich im Innenverhältnis der Gesamtschuldner verlangen (§§ 426, 254 BGB).
Rz. 23
Der geschädigte Mandant muss sich – in Anwendung der allgemeinen Regeln über die Zurechnung eines mitwirkenden Verschuldens Dritter (vgl. Rdn 7 ff.) – auf seinen vertraglichen Schadensersatzanspruch den Schadensbeitrag eines anderen Rechtsberaters nur dann zurechnen lassen, wenn dieser als sein gesetzlicher Vertreter oder als sein Erfüllungsgehilfe zur Wahrnehmung einer Pflicht oder Obliegenheit – jeweils ggü. dem Schädiger – gehandelt hat (§§ 254, 278 BGB). Das gilt auch dann, wenn der Mandant von einem Rechtsanwalt oder Steuerberater Schadensersatz verlangt und ein anderer, neben oder nach diesem Schädiger tätiger weiterer Rechtsberater zu dem Schaden schuldhaft beigetragen hat. Dies kann sowohl den haftungsbegründenden Vorgang der Schadensentstehung (§ 254 Abs. 1 BGB) als auch die Obliegenheit zur Schadensminderung gem. § 254 Abs. 2 BGB betreffen.
Rz. 24
Ein vom geschädigten Mandanten zu vertretender Beitrag eines für ihn tätigen Rechtsanwalts zur Entstehung des Schadens (§ 254 Abs. 1 BGB) ist angenommen worden, weil dieser Anwalt in Erledigung seines Auftrags, die dem Auftraggeber obliegende Vertragspflicht zur Unterrichtung des – haftpflichtigen – Prozessbevollmächtigten zu erfüllen, unzutreffende Angaben gemacht hat.
Rz. 25
Häufiger stellt sich die Frage, ob sich der geschädigte Auftraggeber auf seinen Regressanspruch gegen einen haftpflichtigen Rechtsanwalt als Mitverschulden anrechnen lassen muss, dass ein anderer – in seinem Auftrag tätiger – Anwalt der Obliegenheit des Mandanten zur Abwendung oder Minderung des Schadens nicht gerecht geworden ist (§§ 254 Abs. 2, 278 BGB).
Das RG hatte angenommen, der Mandant müsse sich auf seinen Ersatzanspruch gegen einen Rechtsanwalt einen solchen Schadensbeitrag eines anderen Anwalts als Mitverschulden anrechnen lassen, weil dieser sein Erfüllungsgehilfe bei der "Verpflichtung" zur Verhütung oder Minderung des Schadens gewesen sei. Dementsprechend hatte der VI. Zivilsenat des BGH auf den Regressanspruch des Auftraggebers gegen den erstinstanzlichen Rechtsanwalt den Schadensbeitrag des Berufungsanwalts als Mitverschulden gem. §§ 254, 278 BGB angerechnet. Diese Rechtsprechung, nach der der geschädigte Mandant im Verhältnis zu einem haftpflichtigen Rechtsanwalt den Schadensbeitrag eines anderen Anwalts schlechthin als Mitverschulden zu vertreten hat, hat der für die Anwaltshaftung seit 1984 zuständige IX. Zivilsenat des BGH nicht fortgeführt.
Rz. 26
Er betont die grundsätzliche rechtliche Selbstständigkeit der Rechtspflegetätigkeit verschiedener Personen. Dies hat der IX. Zivilsenat des BGH mehrfach ausgesprochen für die Mandate des Prozessbevollmächtigten und des Verkehrsanwalts, die nebeneinander tätig werden (vgl. § 1 Rdn 252 ff.). Diese Rechtsanwälte haben im Rahmen ihres jeweils eigenen Vertrages mit demselben Auftraggeber grds. unterschiedliche Pflichtenkreise, in denen keiner dieser Anwälte als Erfüllungsgehilfe i.S.d. § 278 BGB für den anderen tätig ist; nur dann, wenn ausnahmsweise eine Vertragspflicht – etwa zur Wahrung einer Rechtsmittelfrist oder zur Prüfung gerichtlicher Auflagen – sowohl dem Prozessbevollmächtigten als auch dem Verkehrsanwalt obliegt und beide diese Pflicht schuldhaft verletzen, haften sie ihrem Mandanten für den dadurch verursachten Schaden als Gesamtschuldner. Rechtlich selbstständig ist auch die Tätigkeit verschiedener Organe der Rechtspflege; deswegen entfällt die Haftung eines Rechtsanwalts, der seinen Mandanten durch fehlerhafte Beratung zum Abschluss eines nachteiligen notariellen Vertrages veranlasst, nicht deswegen, weil der Notar den ihm erkennbaren Fehler bei der Beurkundung nicht berichtigt.
Rz. 27
Auch Rechtsanwälte oder Steuerberater, die nacheinander denselben Auftraggeber geschädigt haben, haften diesem grds. als Gesamtschuldner, ohne dass sich der Geschädigte bei der Inanspruchnahme eines haftpflichtigen Anwalts den Schadensbeitrag eines anderen Anwalts als Mitverschulden entgegenhalten lassen muss (vgl. Rdn 23). Die Anrechnung eines Mitverschuldens des Mandanten würde insoweit voraussetzen, dass dieser sich des anderen (Zweit-)Anwalts bedient hat, um innerhalb seiner Mandatsbeziehung zum Erstanwalt eine im eigenen Interesse gebo...