Rz. 210
Sofern liquide Nachlassmittel vorliegen und deshalb von einem vermögenden Nachlass auszugehen ist, bemisst sich die Vergütung des Nachlasspflegers vorrangig nach § 1888 Abs. 2 S. 2 BGB. Soweit das (noch) vorhandene Nachlassvermögen zur Befriedigung dieser Vergütung nicht ausreicht, kann der Nachlasspfleger eine ergänzende Festsetzung gegen die Staatskasse verlangen, insoweit allerdings lediglich zu den Stundensätzen des § 3 Abs. 1 VBVG.
Aufwendungen des Nachlasspflegers kann dieser dem Nachlassvermögen unmittelbar entnehmen bzw. von dem bei Beendigung der Nachlasspflegschaft nach § 1872 BGB herauszugebenden Vermögen abziehen. Die Aufwendungen mindern – unabhängig vom Zeitpunkt der Entstehung – vorab die für die Vergütungsfestsetzung zur Verfügung stehende Nachlassmasse. Noch nicht festgesetzte Gerichtskosten sind bei der Bemessung des für die Vergütung zur Verfügung stehenden Nachlasses nicht zu berücksichtigen.
Die Behandlung von bereits festgesetzten Gerichtskosten ist umstritten. Abzulehnen ist die Auffassung des OLG Hamburg, wonach sich die Vergütungsforderung des Nachlasspflegers und die offene Kostenforderung des Gerichts gleichrangig gegenüberstehen und deswegen in Anwendung der §§ 209, 324 InsO eine Quotelung vorzunehmen sei. Eine analoge Anwendung der insolvenzrechtlichen Regelungen ist nicht angezeigt, da dem Nachlasspfleger die zivilrechtlichen Vorschriften der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass zur Verfügung stehen. Wie der Erbe muss auch der Nachlasspfleger die im Nachlassinsolvenzverfahren geltende Rangordnung nicht beachten, sondern kann Nachlassgläubiger grundsätzlich in beliebiger Reihenfolge befriedigen bzw. ihre zwangsweise Befriedigung dulden. Zuzustimmen ist deswegen der Auffassung, dass die Gerichtskosten insoweit nicht zu berücksichtigen sind. Dies entspricht wohl auch der Auffassung des BGH, wenn dieser zur Vergütung bei Teilmittellosigkeit ausführt: "Beim Nachlass gibt es, anders als beim Mündel, kein Schonvermögen, sondern er ist vollständig für die Vergütung des Nachlasspflegers einzusetzen und kann dadurch restlos aufgezehrt werden". Gegenüber der Gerichtskostenforderung hat der Nachlasspfleger dann die Einrede gem. § 1990 BGB zu erheben.
Rz. 211
Beispiel
Ein anwaltlicher Berufsnachlasspfleger verwaltet – nach Entnahme seiner Aufwendungen – liquide Mittel in Höhe von 2.814,35 EUR. Bei der Nachlasspflegschaft handelt es sich um einen mittelschweren Fall. An Zeitaufwand sind 38 Stunden angefallen.
In Höhe eines Teilbetrages von 2.814,35 EUR kann die Vergütung aus dem liquiden Nachlass entnommen werden. Insoweit bemisst sich die Vergütung nach § 1888 Abs. 2 S. 2 BGB. Dies entspricht hier einem Zeitanteil von 21,5 Stunden (bei einem angemessenen Stundensatz von 110 EUR zzgl. Umsatzsteuer).
Die Vergütung für die restlichen 16,5 Stunden erfolgt gemäß § 1888 Abs. 2 S. 1 BGB i.V.m. §§ 21 Abs. 1, 3 Abs. 1 VBVG aus der Staatskasse in Höhe von 765,77 EUR (bei einem Stundensatz von 39,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer).