Rz. 153
Maßgebend für die Bestimmung des Zeitaufwandes ist der Umfang der Pflegschaftsgeschäfte. Dieser bestimmt sich im Wesentlichen nach der aufgewendeten Arbeitszeit. Nach herrschender Auffassung der Rechtsprechung besteht ein Vergütungsanspruch nur für Tätigkeiten des Nachlasspflegers, die dieser nach wirksamer Bestellung erbracht hat. Für vor der Bestellung erbrachten Tätigkeiten besteht auch kein Vergütungsanspruch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB. Auch für nach Aufhebung der Nachlasspflegschaft erbrachte Tätigkeiten besteht nach Ansicht des OLG Düsseldorf grundsätzlich kein Vergütungsanspruch. Eine Ausnahme ist neben der Regelung des § 1874 BGB aus sachlich naheliegenden Gründen für Tätigkeiten angezeigt, die zwingend zu einem ordnungsgemäßen Abschluss des Amtes erforderlich sind. Hierzu zählen insbesondere der Abschlussbericht und die Schlussrechnung sowie die Herausgabe des Nachlasses. Zeitaufwand des Nachlasspflegers für die Stellung und Begründung seines Vergütungsantrages ist nicht vergütungsfähig.
Rz. 154
Eine Zeiterfassung ist daher erforderlich und geboten. Da jedoch bei der Vergütungsfestsetzung keine starre Bindung an die geleistete Zeit mehr besteht, kann der Zeitaufwand für die Dokumentation der einzelnen Arbeitsschritte des Nachlasspflegers auf ein Mindestmaß begrenzt werden. An die Dokumentation des Zeitaufwandes dürfen nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden. Der Zeitaufwand, der auf die Erstellung der Tätigkeitsauflistung entfällt, ist nicht vergütungsfähig.
Rz. 155
Eine minutengenaue Zeiterfassung ist entgegen der Auffassung des OLG Celle v. 24.3.2016 nicht erforderlich. Ausreichend ist nach Ansicht des BGH v. 14.3.2018, dass die Angaben in der Tätigkeitsaufstellung die Feststellung einer ungefähren Größenordnung des Zeitaufwandes ermöglichen und so zur Grundlage einer Schätzung nach § 287 ZPO gemacht werden können. Die Entscheidung des BGH ist zwar für die Nachlassverwaltung ergangen, jedoch ausweislich der danach ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung auf die Nachlasspflegschaft entsprechend anzuwenden.
Rz. 156
Eine Aufstellung über den Zeitaufwand kann sich daher auf Oberbegriffe wie "Aktenanlage", "Wohnungsbesichtigung", "Korrespondenz", "Telefonat", "Besprechung", "Erbenermittlung", "Postbearbeitung", "Nachlassverzeichnis", "Berichterstattung", "Verwaltungsabrechnung" etc. beschränken.
Rz. 157
Mit dem Oberbegriff "Korrespondenz" ist dann nicht nur die reine Abfassung eines Schreibens, sondern die zuvor notwendige im Zusammenhang stehende Tätigkeit gemeint. Dazu gehören beispielsweise die vor dem Verfassen des Schreibens stehende Akteneinsicht, das Aufrufen des Falles in der EDV, die Formulierung und Eingabe (ggf. durch Diktat), das Abspeichern, unter Umständen das Heraussuchen und Kopieren von beizufügenden Anlagen, das Ausdrucken, Korrekturlesen, Unterzeichnen, Falzen, Kuvertieren, Frankieren, die Postaufgabe, etc. Hinzu kommt ggf. die für die Korrespondenz nötige Rücksprache mit Mitarbeitern, Klärung von Sachfragen, usw. Insoweit hat sich eine Pauschalierung des Zeitaufwandes nach der Stückzahl, Länge und Schwierigkeit von Schreiben bewährt und es ist sachgerecht, den Aufwand für die Dokumentation hierzu in einem vertretbaren Rahmen zu halten. Praxisgerecht ist es daher, für derartige Schreiben, je nach Umfang 10, 15, 20, 30 oder auch mehr Minuten pro Stück pauschal in Ansatz zu bringen.
Rz. 158
Unter den Oberbegriff Erbenermittlung fällt beispielsweise die Auswertung von Urkunden und anderen Unterlagen, die häufig in Sütterlin verfasst sind und bei denen bereits die Auswertung und "Übersetzung" erhebliche Zeit in Anspruch nimmt. Hinzu kommen ergänzende Elemente der Bearbeitung wie zum Beispiel Urkundenanalyse hinsichtlich weiterer Ermittlungsansätze, die Feststellung standesamtlicher Zuständigkeiten, telefonische Ermittlungen zum Erhalt, zur Verfügbarkeit und insbesondere zum Aufbewahrungsort möglicher Quellen (z.B. historische Melderegister, Kirchenbücher, Bestände von Stadtarchiven usw.).
Wichtig ist jedoch, dass sich die einzelne Tätigkeit durch Beiziehung der Handakte nachprüfen lässt.
Rz. 159
Gemäß §§ 1888 Abs. 1, 1862 Abs. 1, 1962 BGB gilt, dass der Nachlasspfleger nur einer Kontrolle im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit seines Handelns unterliegt. In bloßen Zweckmäßigkeitsfragen kann das Nachlassgericht kein bestimmtes Handeln vorschreiben oder untersagen. Im Rahmen des ihm zugewiesenen Wirkungskreises handelt der Nachlasspfleger eigenverantwortlich und führt sein Amt selbstständig. Eine vom Nachlasspfleger geltend gemachte Vergütung kann das Nachlassgericht nicht deshalb kürzen, weil es die erbrachte Tätigkeit für unangebracht und ein anderes Vorgehen für zweckmäßiger gehalten hätte.
Rz. 160
Muster 6.33: Zeitdokumentation
Muster 6.33: Zeitdokumentation
Muster: Zeitdokumentation
Datum |
Zeit in Minuten |
Tätigkeit |
1.2.2023 |
20 |
Fahrt zum Amtsgericht, Einsichtnahme in die Nachlassakte und Anfertigung von Scans |
1.2... |