1. Allgemeines zur Nachlasssicherung
Rz. 4
Die Nachlasssicherung ist im Unterschied zur Nachlasspflegschaft die mildeste Form nachlassgerichtlichen Handelns. Sie ist immer dann angezeigt, wenn nur einzelne Nachlassgegenstände gefährdet sind. In Einzelfällen kann es ausreichend sein, die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses anzuordnen, wenn die Zusammensetzung des Nachlasses ungeklärt ist.
Rz. 5
Die Voraussetzungen und die Zuständigkeit sind (bis auf das Erfordernis der Pflegerbestellung) mit denen der Nachlasspflegschaft identisch (vgl. Rdn 15).
Rz. 6
Der beratende Rechtsanwalt wird vor Antragstellung immer abwägen müssen, ob die Nachlasssicherung oder eine Nachlasspflegschaft vorzugswürdig ist. Die Nachlasspflegschaft hat den Vorteil der umfassenden Sorge für den Nachlass, die allerdings entsprechende Kosten nach sich zieht. Vertritt man einen Nachlassgläubiger, spielt Letzteres sicher keine Rolle, wenn der Nachlass werthaltig ist. Die Nachlasssicherung – die auch hilfsweise beantragt werden kann – wird stets dem kostenbewussten Erben bzw. Erbprätendenten anzuraten sein. Wird z.B. nur ein Hausmeister für das Haus bestellt, kann der Erbe gleichwohl weiter mit einer Bankvollmacht arbeiten, was im Falle der Nachlasspflegschaft ausgeschlossen wäre, da der Nachlasspfleger Vollmachten grundsätzlich widerrufen wird.
Rz. 7
Da es sich um eine Ermessensentscheidung des Nachlassgerichts handelt, kann es ratsam sein, vorab das Gespräch mit dem zuständigen Rechtspfleger zu suchen. Gerade bei eilbedürftigen Maßnahmen sollte der Antrag zusätzlich angekündigt werden, damit er nicht auf dem Dienstweg untergeht. Je nach Dringlichkeit ist auch die Zustellung per beA mit "EILT!"-Vermerk angezeigt.
Rz. 8
Aus der Formulierung des § 1960 Abs. 2 BGB ("insbesondere") ergibt sich, dass die dort angeführten Sicherungsmittel nicht abschließend sind. Je nach Fallgestaltung können unterschiedliche Maßnahmen getroffen werden. Es kommen auch Sicherungsmittel wie Vormerkungen, Postsperre, Bestellung eines Hauswächters, Anordnung des Verkaufs verderblicher Sachen etc. in Betracht. Des Weiteren kann das Nachlassgericht nicht nur unbeteiligte Dritte, sondern auch Erbprätendenten zu Auskünften mit eidesstattlicher Versicherung anhalten. Der Phantasie und Kreativität des Rechtsanwalts sind nahezu keine Grenzen gesetzt. Für den Erben ist die Anordnung der Nachlasspflegschaft die "teuerste" Sicherung, so dass der Rechtsanwalt als Erbenvertreter sowohl bei der Antragstellung als auch bei der eventuellen Anhörung auf kostengünstigere Sicherungsmittel drängen sollte, wenn diese ausreichend sind.
2. Anlegung von Siegeln
Rz. 9
Die Anordnung der Siegelung ist Aufgabe des Nachlassgerichts. Die Entscheidung wird vom zuständigen Rechtspfleger getroffen. Die Anordnung erfolgt von Amts wegen oder auf Antrag. Der Rechtspfleger kann die Ausführung der Versiegelung zwar selbst vornehmen, wird diese aber in der Regel anderen Organen übertragen; maßgebend ist das Landesrecht. Diese kostengünstige Möglichkeit der Nachlasssicherung wird viel zu selten ergriffen, obwohl dadurch sehr schnell eine Sicherung erreicht werden kann. Sie sollte in Erwägung gezogen werden z.B. von potenziellen Erben.
Wird die Anlegung von Siegeln behindert, so kann sie erforderlichenfalls mit den Gewaltmitteln des § 35 FamFG erzwungen und durchgesetzt werden. Dabei ist zu beachten, dass ohne gesonderte richterliche Anordnung bei der Versiegelung von Räumen nicht in die Besitzrechte Dritter (Mitmieter oder Zutritt über fremde Räume) eingegriffen werden kann.
Rz. 10
Die Anlegung von Siegeln ist kein Sicherungsmittel für einen Miterben, der die Erbschaft angenommen hat, da der Erbe bekannt ist. Um den Nachlass zu sichern, ist der Erbe gegen die bekannten Miterben auf die Vorschriften des BGB zu verweisen. Ein Erbe oder Miterbe, der bekannt ist und die Erbschaft angenommen hat, besitzt kein Beschwerderecht gegen eine Anordnung des Nachlassgerichts, durch die eine Siegelung als Sicherungsmaßnahme gem. § 1960 BGB aufgehoben wird. Der Erbe oder Miterbe, der bekannt ist und die Erbschaft in Besitz hat, hat keinen Anspruch auf nachlassgerichtliche Sicherungsmaßnahmen.
3. Amtliche Inverwahrnahme
Rz. 11
Die amtliche Inverwahrnahme kommt beispielsweise bei Bargeld, Sparbüchern, Schmuck, Edelmetallen, Wertpapieren oder sonstigen kleineren Wertgegenständen in Betracht.
Werden solche Gegenstände bei der Ausführung der Siegelung (vgl. Rdn 10) vorgefunden, sind diese von dem die Siegelung vornehmenden Beamten zu verzeichnen und in die amtliche Aufbewahrung zu verbringen.
Erfährt das Nachlassgericht auf anderem Wege vom Vorhandensein solcher Wertgegenstände und stellt ein Bedürfnis zur Sicherung fest, so kann es dem Besitzer die Herausgabe an das Nachlassgericht aufgeben. Die Durchführung seiner Anordnungen kann das Nachlassgericht mit Gewalt nach § 35 FamFG er...