1. Pflegschaft für die Leibesfrucht gem. § 1912 BGB

 

Rz. 33

Eine Nachlasspflegschaft ist neben der Pflegschaft für die Leibesfrucht möglich. Es bestehen i.d.R. keine Bedenken, den Leibesfruchtpfleger zugleich als Nachlasspfleger zu bestellen.

2. Testamentsvollstreckung

 

Rz. 34

Testamentsvollstreckung ist eine vom Erblasser bestimmte Verwaltung seines ganzen oder teilweisen Vermögens, um seine letztwilligen Anordnungen auszuführen, gegebenenfalls die Auseinandersetzung zu bewirken oder den Nachlass zu verwalten. Der Testamentsvollstrecker leitet seine Legitimation unmittelbar vom Willen des Erblassers ab. Die Testamentsvollstreckung steht der Nachlasspflegschaft zwar nicht grundsätzlich entgegen, ein Bedürfnis für die Nachlasspflegschaft wird aber meist fehlen. Dem Nachlasspfleger steht dabei das Verwaltungsrecht soweit nicht zu, als es der Testamentsvollstrecker hat. Den Testamentsvollstrecker als Nachlasspfleger zu bestellen, ist wegen Interessenswiderstreits nicht möglich.

 

Rz. 35

Der Testamentsvollstrecker hat gegen die Anordnung der Nachlasspflegschaft, nicht jedoch gegen die Auswahl des Nachlasspflegers, ein Beschwerderecht.[35] Die Beschwerde des Testamentsvollstreckers gegen die Anordnung der Nachlasspflegschaft ist dann unbegründet, wenn der Antrag von einem Pflichtteilsberechtigten gestellt wird, der seine Pflichtteilsansprüche geltend machen will.

3. Abwesenheitspflegschaft gem. § 1911 BGB

 

Rz. 36

Bei der Abwesenheitspflegschaft ist der Vertretene bekannt, der Aufenthaltsort unbekannt, während bei der Nachlasspflegschaft die Person des Vertretenen unbekannt ist. Es kann auch im Zusammenhang mit Nachlasspflegschaften zur Anordnung einer Abwesenheitspflegschaft kommen, wenn ein Erbe zwar ermittelt, sein Aufenthaltsort aber trotz intensiver Recherche nicht herausgefunden werden kann.

 

Rz. 37

Muster 6.1: Antrag auf Anordnung eines Abwesenheitspflegers gem. § 1911 BGB

 

Muster 6.1: Antrag auf Anordnung eines Abwesenheitspflegers gem. § 1911 BGB

Muster: Antrag auf Anordnung eines Abwesenheitspflegers gem. § 1911 BGB

An das

Amtsgericht

– Betreuungsgericht –

_________________________

Nachlasssache des Herrn _________________________, zuletzt wohnhaft _________________________, verstorben am _________________________

Am _________________________ ist in _________________________, ihrem letzten Wohnsitz, Frau _________________________ verstorben. Sie war zur Zeit des Todes deutsche Staatsangehörige und wohnte in _________________________.

Am _________________________ erteilte das Nachlassgericht unter dem Geschäftszeichen _________________________ einen Erbschein (Anlage 1), der u.a. in Ziff. 3. als Miterbin Frau _________________________ ausweist.

Ich vertrete die Miterben zu 1. bis 2. ausweislich beigefügter Vollmachten.

Der Nachlass besteht aus einem Sparbuch bei der _________________________-bank, Kontonummer _________________________, mit einem Guthabenbetrag von _________________________ EUR. Sämtliche Nachlassverbindlichkeiten sind beglichen. Dieses Guthaben ist der Überschuss gem. § 2047 BGB, der zur Verteilung unter die Erben entsprechend ihren Quoten kommen soll.

Die kontoführende _________________________-bank hat die Auskehrung des Guthabens mit Hinweis darauf verweigert, dass die Miterbin Frau _________________________ keine Weisung zur Auskehrung des Guthabens erteilt habe (Anlage 2).

Die Miterbin Frau _________________________ ist nicht erreichbar. Zwar hat sie sich im Rahmen des Erbscheinsverfahrens beim Nachlassgericht legitimiert. Alle Versuche, sie unter der Adresse, unter der das Nachlassgericht mit ihr korrespondiert hat und die aus dem Erbschein hervorgeht, sowie andere Adressen, unter denen sie eventuell erreichbar sein könnte, ebenso wie die Kontaktaufnahme per E-Mail sind gescheitert. Die Briefe kamen zurück mit Vermerk "Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht erreichbar" (Anlage 3), die E-Mails wurden nicht beantwortet. Eine Einwohnermeldeamtsanfrage ergab, dass die Miterbin nach wie vor unter der gleichen Adresse gemeldet ist (Anlage 4).

Somit ist davon auszugehen, dass es sich um eine Abwesende handelt, deren Aufenthalt nicht bekannt ist.

Es wird daher beantragt,

einen Abwesenheitspfleger zu bestellen mit der Aufgabe, die Rechte der Frau _________________________ im Rahmen der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft und insbesondere gegenüber der _________________________-bank wahrzunehmen, so dass die Erbengemeinschaft endgültig auseinandergesetzt werden kann.

Da die verbleibenden Erben durch die fehlende Mitwirkung der Miterbin die Erbengemeinschaft dauerhaft nicht auseinandersetzen können, entsteht ihnen ein Vermögensschaden, den die Miterbin zu ersetzen hätte. Daher besteht ein Bedürfnis für die Fürsorge in Vermögensangelegenheiten der Abwesenden.

Sollte das Gericht die Vorlage weiterer Unterlagen oder weiteren Vortrag für erforderlich halten, bitte ich um entsprechenden Hinweis.

(Rechtsanwalt)

4. Nacherbenpflegschaft

 

Rz. 38

Eine Nacherbenpflegschaft ist, solange die Nacherbfolge nicht eingetreten ist, nicht allein deshalb schon anzuordnen, weil der Nacherbe unbekannt ist, da b...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge