Vicki Irene Commer, Andre Naumann
Rz. 336
Spätestens nach drei Jahren ist eine ordentliche Kündigung des Versicherers ausgeschlossen. Sinn und Zweck der Krankentagegeldversicherung ist jedoch nur die Abdeckung eines vorübergehenden Verdienstausfalles.
Um dem Versicherer ein Instrumentarium an die Hand zu geben, sich von der Leistungsverpflichtung unter gewissen Voraussetzungen dennoch lösen zu können, enthält § 15 Abs. 1 MB/KT enumerative Beendigungsgründe wie folgt:
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Wegfall der Voraussetzung der Versicherungsfähigkeit (§ 15 Abs. 1a MB/KT) |
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Berufsunfähigkeit der versicherten Person (§ 15 Abs. 1b i.V.m. Abs. 2 MB/KT) |
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Bezug von Altersrente (§ 15 Abs. 1c MB/KT) |
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Tod des Versicherungsnehmers (§ 15 Abs. 1d MB/KT) sowie |
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Wegzug aus dem Tätigkeitsbereich des Versicherers (§ 15 Abs. 1e MB/KT) |
Rz. 337
Bereits seit der Entscheidung des BGH steht fest, dass die automatische Beendigung, die § 15 Abs. 1 MB/KT 2009 mit Ausnahme im Fall des Eintritts von Berufsunfähigkeit immer noch vorsieht, unwirksam ist. In dieser Ausregelung verstößt die Regelung gegen § 307 BGB, weil dort unabhängig von der Frage, ob zu einem späteren Zeitpunkt Versicherungsfähigkeit wieder eintritt, eine endgültige und unwiederbringliche Beendigung des Versicherungsverhältnisses vorgesehen ist. Der BGH ist daher im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu dem Ergebnis gekommen, dass der Vertrag zwar bestehen bleibt, die Leistungspflicht des Versicherers aber mit dem Wegfall der Versicherungsfähigkeit erlischt. Aufgrund kann der Versicherer das in Unkenntnis des Wegfalls der Versicherungsfähigkeit/Eintritt der Berufsunfähigkeit gezahlte Krankentagegeld zurückfordern bzw. wird leistungsfrei.
Rz. 338
In der Praxis bietet der Versicherer dem Versicherungsnehmer regelmäßig die Möglichkeit des Abschlusses einer Anwartschaftsversicherung an, unabhängig davon, ob die AVB dies vorsehen. Dann muss der Versicherungsnehmer entscheiden, ob er die Anwartschaftsversicherung – notfalls unter dem Vorbehalt der Rechtsmäßigkeit der Beendigung und der gerichtlichen Nachprüfung – annimmt.
Den Wiedereintritt der Versicherungsfähigkeit muss der Versicherungsnehmer dem Versicherer dann mitteilen und einen Antrag auf Umwandlung in eine Vollversicherung stellen.
Soweit die Möglichkeit zur Beantragung der Vollversicherung bei Wiedereintritt der Versicherungsfähigkeit in den Bedingungen zur Anwartschaftsversicherung befristet ist, erfordert dies nach diesseitiger Ansicht einen drucktechnisch hervorgehobenen Hinweis des Versicherers im Rahmen der Übersendung des Versicherungsscheins, der die Umwandlung in die Anwartschaftsversicherung vorsieht.
Rz. 339
Ist ein Versicherungsnehmer bereits längere Zeit arbeitsunfähig, wird ein Versicherer in der Regel hinterfragen, ob die Versicherungsfähigkeit entfallen ist oder bereits Berufungsunfähigkeit vorliegt und damit die Möglichkeit der "Beendigung" der Krankentagegeldversicherung besteht.
Rz. 340
Die Versicherungsfähigkeit selbst ist in § 15 Abs. 1a MB/KT nicht definiert. Was im konkreten Vertrag als Versicherungsfähigkeit vorausgesetzt wird, ergibt sich zumeist aus den besonderen Tarifbedingungen.
Hinweis
Findet sich im Tarif keine Regelung zur Versicherungsfähigkeit und deren Wegfall, scheidet eine Beendigung nach § 15 Abs. 1a MB/KT von vornherein bereits aus.
Rz. 341
Im Tarif werden die Voraussetzungen der Versicherungsfähigkeit oft z.B. geknüpft an:
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Fortbestehende Erwerbsfähigkeit |
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Fortbestand des Arbeitsverhältnisses |
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Bezug von Berufsunfähigkeits- oder Erwerbsunfähigkeitsrente |
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Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe. |
Fehlen solche Regelungen, kann hierauf keine Beendigung wegen Wegfalls der Versicherungsfähigkeit gestützt werden. Insbesondere bedingt ein Bezug von Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsrente nicht das bedingungsgemäße Vorliegen von Berufsunfähigkeit i.S.v. § 15 Abs. 1b MB/KT 2009.
Der BGH hat dies ausdrücklich wie folgt klargestellt:
Zitat
"Ein Bezug wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit schließt den Anspruch auf Krankentagegeld indes nicht in jedem Fall aus, sondern nur, wenn er als Beendigungsgrund in den Bedingungen der Krankentagegeldversicherung ausdrücklich vorgesehen ist. (Senatsurteil v. 5.2.1997 – IV ZR 67/96 – VersR 1997, 481 unter 2b)"
Rz. 342
Die Berufsunfähigkeitsversicherung kennt u.a. auch eine Rentengewährung wegen fingierter Berufsunfähigkeit. In der Krankentagegeldversicherung liegt Berufsunfähigkeit erst vor, wenn auf nicht absehbare Zeit die versicherte Person mehr als 50 % erwerbsunfähig ist, wofür zudem eine sogenannte Negativprognose erforderlich ist.
Hinweis
Ein Parallelbezug von Krankentagegeld- und Berufsunfähigkeitsleistungen ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Ein Rentenbezug schadet nur dann, wenn in den AVB der Wegfall der Versicherungsfähigkeit bzw. ein Beendigungsgrund entsprechend definiert wurde.
Rz. 343
Nicht selten finden sich Tarife, in denen zwar die Rechtsfolgen von Rentenbezug in Form des Angebots einer Anwartschaftsversicherung geregelt sind, nicht aber, dass bei Rentenbezug eine Bee...