Vicki Irene Commer, Andre Naumann
Rz. 145
Für die Kalkulation der Lebens- und Rentenversicherung gelten folgende Regelungen:
Gemäß § 138 Abs. 1 VAG müssen die Prämien in der Lebensversicherung unter Zugrundelegung angemessener versicherungsmathematischer Annahmen kalkuliert werden.
Der in § 138 Abs. 1 VAG verwendete Begriff "angemessene versicherungsmathematische Annahmen" bezieht sich auf die Kalkulationsgrundlagen, die die wirtschaftliche Basis eines Tarifs bilden. Der verwendete Begriff der "Angemessenheit" ist dabei nicht im rechtlichen Sinne zu verstehen. "Angemessen" sind vielmehr Annahmen, die auf einer hinreichenden statistischen Grundlage beruhen.
Rz. 146
Im Folgenden werden die Rechnungsgrundlagen dargestellt, die gemäß § 145 VAG i.V.m. § 5 DeckRV bei der Entwicklung eines Lebensversicherungstarifs Bedeutung haben.
Rechnungsgrundlagen sind die Daten und Informationen, die der Versicherer als Grundlage für seine Beitragskalkulation verwendet.
Die Daten und Informationen beruhen auf der betriebswirtschaftlichen und versicherungsmathematischen Analyse verschiedener Sachverhalte. Der Kalkulation eines Produkts muss eine Betrachtung der wahrscheinlichen Ströme aus verschiedenen Einnahmen und Ausgaben vorangehen:
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die Leistungswahrscheinlichkeiten und die entsprechenden Einnahmen aus Risikoprämien, |
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die Aufwendungen für den Betrieb sowie die entsprechenden Einnahmen durch den Kostenbeitrag aus den Prämien, |
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im Fall des Versprechens einer Zinsgarantie die erforderlichen Zinsaufwendungen und -erträge. |
Auf diesem Prinzip der Nutzung von aus jährlichen Betrachtungen hervorgehenden Informationen beruht die Kalkulation aller Tarife in der Lebensversicherung.
Der Jahresabschluss, dem die Ergebnisrechnung des jeweils abgelaufenen Geschäftsjahrs zugrunde liegt und der alle wesentlichen kaufmännischen Daten enthält, ist jährlich zu erstellen, § 264 Abs. 1 HGB. Die Zinsrechnung folgt ebenfalls dem Prinzip des jährlichen Abschlusses der Bücher der Gesellschaft.
Die Rechnungsgrundlagen werden in verschiedene Kategorien geordnet: Sterblichkeit, Kosten, Zins und weitere Rechnungsgrundlagen; innerhalb dieser Kategorien werden weitere Gruppen gebildet.
a) Rechnungsgrundlage Sterblichkeit
Rz. 147
Wesentlicher Vertragszweck der Lebens- bzw. der Rentenversicherung ist die Übernahme eines biometrischen Risikos. In beiden Fällen ist dies ein ungewisses Ereignis in Bezug auf die Lebensdauer der versicherten Person. Auf Grundlage des Gesetzes der großen Zahlen ergibt sich eine statistische Wahrscheinlichkeit des Eintritts des biometrischen Risikos, die in sog. Sterbetafeln festgehalten ist. Eine Übersicht aktueller und vergangener Sterbetafeln findet sich auf der Internetseite der Deutschen Aktuarvereinigung e.V. (www.aktuar.de).
Mögliche oder wahrscheinliche Veränderungen der Sterbe- oder Überlebenswahrscheinlichkeiten in der Zukunft fließen mit Abschlägen bzw. Zuschlägen in die Sterbetafeln und damit in die Kalkulation des Tarifs ein.
Die rechtliche Grundlage für die Kalkulation dieser – wie auch anderer – Zuschläge bzw. Abschläge findet sich in § 138 Abs. 1 VAG, nach der der Versicherer zu einer vorsichtigen Kalkulation verpflichtet ist. Eine vorsichtige Kalkulation erfordert, dass der Versicherer einerseits davon auszugehen hat, dass die Ausgaben für Versicherungsleistungen oder Kosten stärker steigen als dies gemeinhin angenommen werden kann. Andererseits bedeutet es, dass die von ihm kalkulierten Einnahmen sich nicht in der Weise realisieren, wie er dies geplant hat.
b) Rechnungsgrundlage Verwaltungskosten
Rz. 148
In einer weiteren Kategorie werden die Kosten für die bei der Verwaltung eines Versicherungsbestands entstehenden Aufwendungen erfasst. Dies sind Aufwendungen für den Beitragseinzug einschließlich der entsprechenden Provisionen, die Bestandsverwaltung einschließlich der entsprechenden Provisionen, die Schadenverhütung und -bekämpfung, die Gesundheitsfürsorge zugunsten der Versicherungsnehmer, die Bearbeitung der Beitragsrückerstattung sowie Aufwendungen der passiven Rückversicherung und Retrozession (§ 43 Abs. 3 RechVersV).
c) Rechnungsgrundlage Abschlusskosten
Rz. 149
Den wesentlichen Anteil an den gesamten Kosten einer Lebensversicherung haben die mit der Vermittlung, der Einrichtung und dem Vertrieb des Vertrags zusammenhängenden Kosten, die sog. Abschlusskosten.
Welche Kosten zu den versicherungstechnischen Abschlussaufwendungen gehören, definiert § 43 Abs. 2 S. 2 RechVersV. Dabei ist zwischen internen Abschlusskosten und externen Abschlusskosten zu unterscheiden.
aa) Interne Abschlusskosten
Rz. 150
Die internen Abschlusskosten – auch als "Einrichtungskosten" bezeichnet – umfassen alle Kosten des Versicherers, die dem Abschluss zuzurechnen, aber nicht der Vermittlung des Vertrags direkt zuzuordnen sind. Hierunter fallen die Aufwendungen für die Anlegung der Versicherungsakte, für die Aufnahme des Versicherungsvertrags in den Versicherungsbestand, für die ärztlichen Untersuchungen im Zusammenhang mit dem Abschluss von Versicherungsverträgen, die allgemeinen Werbeaufwendungen und die Sachaufwendungen, die im Zusammenhang mit...